Demo „Freiheit statt Angst“ – Hurenblock war dabei gegen Meldepflicht für Sexarbeiter_innen
PDF: Stellungnahme_BesD_Meldepflicht
Huren gegen Zwangsregistrierung
Sexarbeiter_innen und Unterstützer_innen demonstrierten am Samstag in Berlin gegen die von der Regierungskoalition geplante Meldepflicht für Sexarbeiterinnen. Hydra e.V. und der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen, sowie weitere Personen beteiligten sich an einem Hurenblock auf der Demonstration „Freiheit statt Angst“ in Berlin, die sich gegen staatliche und geheimdienstliche Überwachung, Vorratsdatenspeicherung und den Verlust der Privatsphäre richtet und für eine freie demokratische Gesellschaft eintritt.
Der Hurenblock war erstmals auf der Demonstration vertreten. Daneben organisierten Hydra und BesD einen Infostand am Brandenburger Tor, an dem wir unter Anderem Unterschriften für den Aufruf von Doña Carmen gegen die Zwangsregistrierung sammelten und mit vielen interessierten Menschen ins Gespräch kamen, denen wir unser Anliegen erläutern konnten. Bei der Abschlusskundgebung hielt Hurenaktivistin Emy Fem eine kurze Rede, in der sie die Zuhörer zu Solidarität mit den Prostituierten im Kampf gegen staatliche Kontrolle aufforderte:
„Die Vorratsdatenspeicherung in der Sexarbeit, die Registrierung, ob unter Zwang oder freiwillig, bietet keinerlei Schutz. Die Eintragung in eine Kartei bewahrt keine Person zu keinem Zeitpunkt davor, überfallen, ausgeraubt oder Opfer von Menschenhandel zu werden. Darüber hinaus liefert die große Koalition damit Sexarbeiter_innen vorsätzlich vermeidbaren Gefahren aus. Wenn ein Klient von einer Sexarbeiter_in die Vorlage ihres Hurenausweises verlangen darf, werden Stalking und Nachstellung Tür und Tor geöffnet.“
Staatliche Registrierung und Kontrolle betrifft Huren seit langem: Im Deutschen Reich durften nur Prostituierte legal arbeiten, die sich bei der Polizei registrierten, und nur an bestimmten Orten. Mit der Registrierung verbunden war eine regelmäßige Pflichtuntersuchung auf Geschlechtskrankheiten, weil Prostituierte als Krankheitsüberträger galten. Die Registrierung von Prostituierten im Nationalsozialismus diente dazu, sie als „Asoziale“ aus der Gesellschaft auszuschließen und teilweise in Konzentrationslager zu deportieren.
Die staatliche Kontrolle der Prostitution diente immer dem doppelten Zweck, Prostituierte von der bürgerlichen Gesellschaft zu separieren und die vermeintlich negativen gesellschaftlichen Folgen dieser sozial unerwünschten und als unsittlich betrachteten Tätigkeit abzuwehren. Der Schutz der Prostituierten, der dabei oftmals vorgeschoben wurde, war in diesem Spannungsfeld aus Kontrolle und Stigmatisierung bloße Behauptung.
Auch wenn die heutige Situation sicherlich weder mit dem Nationalsozialismus noch mit dem Deutschen Reich vergleichbar ist, steht das jetzige Vorhaben einer Registrierungspflicht doch in einer Kontinuität mit diesen Maßnahmen, da sie dieselbe Kombination aus Stigmatisierung, Ausgrenzung und Kontrolle fortführt – auch wenn das erklärte Ziel der „Schutz“ von Sexarbeiter_innen ist.
Die Registrierung wird, anstatt Sexarbeiter_innen zu schützen, v.a. für diejenigen von uns schädlich sein, deren Rechtsstatus problematisch ist: Migrant_innen, die die deutsche Sprache nicht beherrschen oder die keine Arbeitserlaubnis haben, deutsche und nicht-deutsche Prostituierte, die den Beruf aus verschiedenen Gründen versteckt ausüben müssen oder wollen: aus familiären Gründen, weil sie Kinder haben, weil ihr bürgerlicher Hauptberuf dadurch gefährdet wäre, oder weil sie in ihrem näheren oder weiteren Umfeld Verurteilung zu befürchten hätten. Nicht zuletzt haben alle Sexarbeiter_innen Grund zur Furcht vor Diskriminierung durch Behörden, Vermieter, und Arbeitgeber.
Solange das Hurenstigma fortbesteht, kann jede Form der staatlichen Registrierung nur dazu führen, dass Prostituierte diesem Stigma umso hilfloser ausgeliefert sind, weiter an den gesellschaftlichen Rand gedrängt werden oder gezwungen sind, sich in die Illegalität zu begeben, was ihre Rechtsposition gegenüber z.B. Bordellbetreibern noch stärker schwächt.
Deshalb: Solidarisieren Sie sich mit uns und kämpfen Sie mit uns gegen jede Form der staatlichen Registrierung von Sexarbeiter_innen, für unser Recht auf Privatsphäre und sexuelle Selbstbestimmung und für unser Recht auf freie Ausübung unseres Berufes!