Menschenhandel und schwere Arbeitsausbeutung von Migrantinnen findet vor allem in Privathaushalten statt
Die Studie ‚Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung und schwere Arbeitsausbeutung von Frauen – ein nicht gesehenes Phänomen?‘ des Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. (kok) untersucht, ob Frauen und Männer als Betroffene von Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung oder schwerer Arbeitsausbeutung von der Öffentlichkeit, Politik und Behörden in unterschiedlicher Weise wahrgenommen. Dabei wird die Annahme hinterfragt, dass Menschenhandel vor allem mit Prostitution zusammenfällt. Auch schwere Formen der Arbeitsausbeutung oder extrem prekäre Arbeitssituationen können die Schwelle zum Menschenhandel überschreiten.
Es sei kaum im Bewusstsein der Bevölkerung, dass in Deutschland außerhalb der Prostitution massenhaft Menschen ausgebeutet werden. Und während das Sexarbeitsgewerbe zukünftig starken Kontrollen unterworfen sein wird, sind in den anderen Bereichen Arbeitskontrollen in Deutschland schlicht nicht vorgesehen. Schließlich profitieren keine ‚Zuhälter‘, sondern Unternehmen und Privathaushalte von den billigen Arbeitskräften.
Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung werden Frauen und vor allem Migrantinnen nicht hauptsächlich in der Sexarbeit, sondern vor allem in Privathaushalten als Pflege-, Betreuungs- und Haushaltskräfte ausgebeutet. Daneben spielen auch die fleischverarbeitende und landwirtschaftliche Branche eine beträchtliche Rolle.
Ein Grund, warum Frauen eher weniger als Betroffene von extremen Formen der Arbeitsausbeutung wahrgenommen und als solche benannt werden, liegt an der (medialen und öffentlichen) Stereotypisierung: ‚Männer = Betroffene von Arbeitsausbeutung und Frauen = Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung‘.
Ein weiterer Faktor ist, dass gerade Haus- und Familienarbeit nicht als eigentliche Arbeit im Sinne von Erwerbsarbeit verstanden wird, sondern als etwas für Frauen „Natürliches“. Viele Arbeitgeber*innen bzw. Täter*innen sind sich der Ausbeutung der beschäftigten Frauen offenbar nicht bewusst, dabei ist die Arbeit in Privathaushalten von einer Reihe Besonderheiten gekennzeichnet, die Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung und schwere Arbeitsausbeutung begünstigen, sowie die Sichtbarkeit von und Zugänglichkeit zu Betroffenen beeinflussen können: Ein Arbeitsplatz (zumeist) ohne Kolleg*innen, Isolation sowie ein enges räumliches und teilweise auch privates Opfer-Täter*innen-Verhältnis – teilweise stehen die Frauen 24/7 zur Verfügung.
Empfehlungen an die Medien
Medien haben einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung von Betroffenen von Menschenhandel in der Gesellschaft. Um der gängigen medialen Darstellung und Stereotypisierungen, wie Männer = Betroffene von Arbeitsausbeutung und Frauen = Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, entgegenzutreten, empfehlen sich Schulungen für Journalist*innen und Redakteur*innen. Eine aktive Kooperation, beispielsweise von Fachberatungsstellen mit Journalist*innenschulen, könnte ein Weg sein. Durch gemeinsame Schulungen könnten Journalist*innen verstärkt dafür sensibilisiert werden, dass Frauen nicht nur von sexueller Ausbeutung betroffen sind, sondern auch in ihrer Arbeitskraft ausgebeutet werden. Auch soll der Blick dafür geschärft werden, dass Ausbeutung von Frauen nicht nur in „frauentypischen“ Berufszweigen stattfindet, sondern auch in Branchen, in denen Frauen gemeinhin weniger vermutet werden.
Der KOK hatte bereits 2013 ein Positionspapier zum medialen Umgang mit dem Thema Menschenhandel verfasst.