Berliner Prostituiertenausweise werden in München nicht mehr anerkannt

Seit fast 7 Jahren arbeite ich schon als Gastlady in einem Bizarrstudio in München. Warum reise ich extra nach München, wo ich doch in Berlin mein eigenes kleines Studio habe? Ja, zum einen, weil ich gerne reise, und zum anderen weil das Geld nicht reicht, das ich in Berlin verdiene. Mir geht es genauso wie vielen Kolleg*innen nördlich des Weißwurstäquators, die in südliche Bundesländer zum Arbeiten fahren müssen um als Selbstständige in in der Sexarbeit existieren zu können. Für diese branche ist gerade Bayern ist ein Eldorado zum Geldverdienen.
„Je katholischer je besser“, sage ich immer.

In München kommt noch die Nähe zu Österreich hinzu, denn in den grenznahen Bundesländern gibt es so gut wie kein Sex-Angebot. Außerdem ist ein Kurzausflug nach München ja unverfänglich, denn da kennt einen ja keiner.

Nein, liebe Steuerfahndung, auch in München wird man als Sexarbeiterin nicht reich. Man verdient dort aber mehr und einfacher das Geld als in andern Landesteilen. Jedoch habe ich auch schon Kolleginnen kennengelernt, die in München so gut wie nichts verdient haben. Aber dies ist eine andere Geschichte, denn mir ging es dort immer sehr gut, und ich habe viele Stammgäste, die ich wirklich sehr schätze. Aber nun ist aber erst mal Schluss damit von meiner Seite.

Warum?

Irgendwie hat meine innere Stimme NEIN gesagt. NEIN als ich vorgestern die Mail von meiner supernetten Betreiberin des Studio Elegance aus München erhielt. Mein Berliner Ausweis würde in München leider nicht mehr anerkannt.
Ich wollte ja eigentlich nächste Woche in München bei ihr arbeiten. Und ich hatte schon echt viele feste Termine. Ich sagte alle ab.

Warum?

Die meisten werden es mitbekommen haben, dass es ein neues Gesetz zur Regelung der Prostitution gibt. Es trägt den schönen Namen ProstituiertenSchutzGesetz. Dass es dabei nicht um unseren Schutz geht, sondern eher um Kontrolle und Reduzierung der Sexarbeit geht möchte ich hier nicht ausführen.

Sexarbeitende müssen sich einem Beratungsgespräch in einer Behörde unterziehen, das in der Regel von Beamten durchgeführt wird, die keine oder gar keine Ahnung vom Thema haben. Diese sollen dann herausfinden, ob ich unter Zwang arbeite oder überhaupt weiß was ich tue.

Dann bekomme ich einen Prostituiertenausweis mit meinem Foto. Zu meinem Schutz wird aber netterweise mein Name durch einen frei gewählten Künstlernamen ausgetauscht. Dieser Ausweis gilt dann für alle Städte und Bundesländer, die ich als Arbeitsorte angegeben habe. Ich könnte also eigentlich mit meinem Berliner Ausweis in München arbeiten.

Leider gehört Berlin zu den Bundesländern, die mit der Umsetzung noch nicht so ganz fertig sind. Naja, der Flughafen ist ja auch noch nicht fertig. Ach, ich liebe Berlin. Hier ist eben alles nicht perfekt. Das ist in München anders.

Die für uns zuständige Meldebehörde in Münchenn nennt sich KVR (Kreisverwaltungsreferat), und auch Berliner Sexarbeitende sind eigeladen sich dort gegen 70 Euro Gebühr registrieren zu lassen. In Berlin wird dieser „Service“ selbstverständlich kostenlos sein, denn Berlin hält es für unangebracht, dass die Umsetzung eines „Schutzgesetzes“ von den zu Schützenden selber gezahlt werden muss.

Nein, es sind nicht die 70 Euro, die mich von der Registrierung in München abhalten. Ich finde das Vorgehen von München völlig übertrieben, und ich sehe nicht wie sich das mit dem Schutzgedanken des Gesetzes verträgt. Es ist ja nicht so, dass ich illegal arbeite. Nein, ich habe mich ja in Berlin auf der Behörde eingefunden und habe auch einen schriftlichen Nachweis, dass ich dort registriert bin. Aber dieses Stück Papier hat eben keine Foto und sieht nicht so aus wie es auszusehen hat. Jawoll.

Ich finde nicht, dass wir Berlinerinnen für die Unzulänglichkeiten unseres Bundeslandes verantwortlich gemacht werden können. Übrigens, gibt es noch etliche andere Bundesländer, die ebenfalls noch keine Meldebehörden am Start haben. Berlin ist nicht alleine. Und zur Ehrenrettung sei gesagt, dass Berlin sich wirklich sehr viele Gedanken macht, wie dieses Gesetz möglichst sexarbeitsfreundlich umgesetzt werden kann und nicht zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führt. Ich liebe Berlin.

Gerade vor dem Hintergrund der Verschärfung der Polizeigesetze im Seehofer-Söder-Staat, Bayern, möchte ich als Prostituierte meine Daten nicht in München wissen. Nein, ich leide nicht an Verfolgungswahn. Ich bin ein sehr gelassener und gutgläubiger Mensch. Es muss schon einiges passieren, dass ich in eine Abwehrhaltung komme. Das für uns zuständige Sittendezernat in München hat dies geschafft. Diese Polizeidienststelle hat sich noch nie drum geschert, was sie eigentlich wirklich dürfen und das Gesetz immer sehr wohlwollend zu ihrem Vorteil ausgelegt.

So wurde jahrelang allen Betreibenden von Bordellen und Studios gesagt, dass sie die neuen Frauen als erstes zu ihnen aufs Revier schicken sollen zur Registrierung. Wenn es dann tatsächlich noch einen Betreibenden gegeben hat, der oder die gewagt hat zu sagen „Wieso denn? Es gibt doch gar keine Registrierungspflicht.“ Dann kam die Antwort, dass dass natürlich keine Pflicht sei. Aber so eine polizeiliche Registrierung ja viel besser sei, denn dann müsse ja nicht so oft kontrolliert werden. Ansonsten käme man dann regelmäßig zur Kontrolle im Bordell vorbei.
Regelmäßig kann in diesem Zusammenhang bis zu 2x pro Woche sein. Welches Bordell kann sich das erlauben? 2x pro Woche Polizeiautos vor der Tür und 2x pro Woche Kontrolle von allen anwesenden Sexarbeitenden – auch diejenigen, die gerade mit dem Kunden beschäftigt sind.

Jeder Kunde, der das ein mal mitgemacht hat, geht sicher nie wieder in dieses Bordell – wenn er überhaupt noch mal geht. Das kann sich kein Betreibender erlauben. Außerdem laufen einem ja auch die Damen weg, denn wer will schon dauernd kontrolliert werden. Resultat ist, dass alle in München kuschen.

Bei der Kontrolle der Damen hat die Sitte auch mit unlauteren Methoden gearbeitet. Bei meiner ersten Kontrolle wurde folgendes gesagt: „Warum haben sich nicht bei uns im Revier registriert? Ja, da haben sie aber Glück, dass wir das jetzt auch direkt vor Ort hier gleich machen können.“ Geschockt und dankbar war ich dann heilfroh, so glimpflich davon gekommen zu sein. Ich wußte nicht, dass ich gar nichts verbrochen hatte, und war somit handzahm. „Sie haben doch nichts dagegen, dass wir ein Foto von ihnen machen?“ KLICK…. äh, nein. Ich hätte sagen müssen „doch, ich habe was dagegen!“ In dem Fall wäre natürlich kein Foto gemacht worden, denn das dürfen die gar nicht. Es liegt keinerlei Verdacht auf Straftatbestände vor, und Fotos machen ist der übliche Einstieg in einer erkennungsdienstliche Erfassung. Dies alles weiß man nicht, wenn man so überrumpelt wird. Und ich habe diese Praxis der Sitte diverse Male bei Kolleginnen beobachtet. Natürlich habe ich mich dann immer eingemischt und gesagt, dass die Kollegin sicher was gegen Fotos hat…. Ich denke, dass ich in München schon weit über 10x kontrolliert wurde von der Sitte. Dies ist um so erstaunlicher vor dem Hintergrund, dass ich ja nur alle 2-4 Monate für jeweils 3 Tage in MUC bin.

Ich werde erst wieder nach München fahren, wenn die Berliner Behörde es geschafft hat mir einen prächtigen Hauptstadt-Huren-Ausweis auszustellen. Diesen werde ich mir auf den Künstlernamen Alice Schwarzer machen lassen.


Beitrag von Johanna Weber, die in verschiedenen Stäften Deutschlands und der Schweis als berührbare oder erotische Domina arbeitet.

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