Europäischer Tag gegen Menschenhandel: 6-Punkte-Aktionsplan für mehr Rechte und Gerechtigkeit

Anlässlich des Europäischen Tages gegen den Menschenhandel am 18. Oktober haben die Mitglieder von La Strada International  – einer europäischen NGO-Plattform gegen Menschenhandel – ein Schreiben an die europäischen Regierungen gesandt, in dem sie diese auffordern, sich zur Umsetzung eines 6-Punkte-Aktionsplans zu verpflichten. Der BesD unterstützt diese Forderungen (Übersetzung von uns):


1. Forderung: Unterstützung aller von Menschenhandel betroffenen und ausgebeuteten Personen bei der Meldung von Ausbeutung sowie Zugang zur Justiz, auch für Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus

Opfer von Menschenhandel sind oft nicht in der Lage, Ausbeutung zu melden, da sie mit Verhaftungen konfrontiert sind und Abschiebung wegen ihres irregulären Status fürchten müssen. Wir fordern eine „Firewall“, die es Arbeitern ermöglicht auf sichere Art und Weise eine Beschwerde bei Polizei- oder Arbeitsbehörden und Gerichten einzureichen und Zugang zu Dienstleistungen und Justiz erhalten, ohne sich dadurch der Gefahr von Abschiebung auszusetzen. Dies wäre ein Empowerment, eine Wahrung der Grundrechte, Bekämpfung von Missbrauch und Förderung fairer Geschäftspraktiken. Es würde auch sicherstellen, dass alle Fälle gründlich untersucht werden und dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.

2. Forderung: Den betroffenen und ausgebeuteten Personen ist Zugang zu Informationen und kostenlosen Rechtsbeistand zu gewähren, sowie Unterstützung bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen

Information und Rechtsbeistand sind entscheidend für die Durchsetzung von Verfahren, den Zugang zu Entschädigungen und zu anderen Rechte. Für die Geltendmachung von Schadenersatz in Strafsachen, zivilrechtlichen und strafrechtlichen Angelegenheiten ist eine spezialisierte Rechtsvertretung erforderlich. Staatlich finanzierter Rechtsbeistand ist jedoch nicht immer verfügbar und kann
im Umfang begrenzt sein oder von der Aufenthaltsberechtigung und dem Wohnsitz des Opfers abhängen. Darüber hinaus ist im Allgemeinen die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigem, spezialisiertem Rechtsbeistand begrenzt.

Die Opfer sollten mit folgendem versorgt werden:

– Informationen über ihre Rechte in verständlicher Form bei der ersten Kontaktaufnahme
– Prozesskostenhilfe sollte geleistet werden für alle Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung verfügbar sind
– des Weiteren sollte es Maßnahmen zur Unterstützung der Spezialisierung von Juristen zur Unterstützung und Vertretung von Betroffenen von Menschenhandel und Opfern anderer damit zusammenhängender Straftaten geben, auch für Verfahren zur Geltendmachung von Schadenersatz

3. Forderung: Sicherstellen, dass die Berechnung des Schadenersatzes fair, angemessen, transparent und auf der Grundlage einer klaren und klaren Vorgehensweise erfolgt

Derzeit gibt es wesentliche Diskrepanzen zwischen den geforderten Beträgen und den ausgezahlten Beträgen für Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung von Arbeitskraft. Darüber hinaus werden bestimmte Arten von Schäden, z.B. Verdienstausfall durch Prostitution, in einigen europäischen Ländern abgelehnt. Bisher gibt keine übergreifenden Leitlinien auf europäischer Ebene für die Berechnung von Schadenersatz für Opfer. Eine solche Berechnung sollte entwickelt werden, um die Grundsätze von Rechtsgleichheit und -sicherheit zu gewährleisten.

4. Forderung: Erweiterung der Untersuchungen für Schadensersatzforderungen und für die Wiederherstellung von Vermögenswerten

Ein wesentliches Hindernis für den Zugang zur Entschädigung für Opfer von Menschenhandel und Opfer von damit zusammenhängenden Straftaten ist, dass Täter nicht gefunden werden, nicht strafrechtlich verfolgt werden, ihr Vermögen ins Ausland verlagert haben, oder sich selbst für zahlungsunfähig erklärt haben, um die Beschlagnahmung ihres Vermögens und Zahlungen zu vermeiden.

Ermittlungen zur Identifizierung, Verfolgung und Beschlagnahme von kriminellen Vermögenswerten sind bisher in Umfang und Wirksamkeit begrenzt. Wir fordern, dass die strafrechtlichen Ermittlungen auch eine finanzielle Untersuchung in einem frühen Stadium des Verfahrens ausüben, um das Ausmaß der rechtswidrigen Aneignung von Vermögenswerten sowie den Schadensausmaß festzustellen. In einem solchen Fall können Staatsanwalt oder der Anwalt des Opfers die Beschlagnahmung von Vermögenswerten verlangen, die dem Opfer nach der Verurteilung des Täters zukommen.

5. Forderung: Förderung einer wirksamen transnationalen Zusammenarbeit zur Unterstützung von grenzüberschreitenden Schadensersatz-Ansprüchen

Eine Zusammenarbeit zwischen allen relevanten Interessengruppen auf nationaler und internationaler Ebene ist unerlässlich, um den Zugang zur Entschädigung zu gewährleisten. Opfer stehen bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen
oft vor Herausforderungen – zum Beispiel nach freiwilliger oder erzwungener Rückkehr in andere Länder. In diesem Rahmen müssen auch Fragen im Zusammenhang mit der Kontinuität der Rechtshilfe und -vertretung, der Durchführung von Europäischen Vollstreckungsmaßnahmen und der Übermittlung von Entschädigungsanträgen von einem Land in ein anderes gestellt werden.

Wir fordern wirksame internationale Kooperations- und Überweisungsmechanismen zwischen Strafverfolgungsbehörden, Finanzbehörden, NGOs und Anwälten, um eine „mobile Justiz“ zu gewährleisten und das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Opfer auch nachdem sie das Land verlassen haben noch Anspruch auf Entschädigung haben.

6. Forderung: Aufhebung/Überarbeitung der Kriterien für staatliche Kompensationsfonds, um allen Betroffenen von Menschenhandel und Ausbeutung den Zugang zu gewährleisten – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus

Die meisten verfügbaren staatlichen Entschädigungssysteme für Opfer von (Gewalt-)Verbrechen gewähren nur finanzielle Unterstützung für materielle Schäden, wie z.B. medizinische Kosten, Sachschäden und manchmal entgangenen Gewinn. Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung werden oft vom Zugang ausgeschlossen – entweder da sie den Kriterien nicht entsprechen oder aufgrund ihres Aufenthaltsstatus, oder weil ihre Beschäftigungssituation irregulär ist. Oft benötigen sie den Nachweis körperlicher Gewalt, mit Ausnahme von Opfern, die durch subtile Formen von Zwang oder Täuschung geschädigt wurden.

Wir fordern, dass Opfern eine Entschädigung für unbezahlte Löhne oder Einkommensverluste gewährt wird, sowie Entschädigung für immaterielle Schäden. Länder, die diese noch nicht haben, sollten staatliche Entschädigungsssysteme einrichten und die Förderkriterien überprüfen. Staatliche Entschädigung sollte unabhängig vom Aufenthaltsstatus und Art der Arbeit/Services gewährleistet sein.


Originaltext hier zum Download

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