Frauen*Kampftag in Rostock: Rede einer Sexarbeiterin zum Frauentag 2020

Redebeitrag von BesD-Mitglied und Sexarbeiterin Vani (kaufmich.com/Muecke1403) anlässlich des Frauen*Kampftags in Rostock. Danke außerdem an SeLa – Selbstbestimmt Leben und Arbeiten, das Centrum für sexuelle Gesundheit, Frauenstreik Rostock und Demo zum Frauen*kampftag.

 

Wow. Ich bin echt aufgeregt. Ich bin immer aufgeregt, wenn ich vor großen Gruppen sprechen soll. Aber heute bin ich ganz besonders aufgeregt. Warum? Weil ich als Sexarbeiterin vor euch stehe. Ich bin Escort und Mitglied des BesD, des Berufsverbandes für erotische und sexuelle Dienstleistungen. Und genau in dieser Rolle werde ich, oder wird das was ich tue, von unglaublich vielen Menschen immer noch als unmoralisch, dreckig, eklig, billig oder sonst wie abgewertet. Weil Frauen immer noch in Hure und Heilige eingeteilt werden, also in gute Frau, schlechte Frau.

Die gute Frau ist die, die nicht auffällt und nicht aufregt, die die Klappe hält und tut was sie soll, die in der Öffentlichkeit kein sexuelles Wesen ist, dem Partner aber schon zur Verfügung steht, wenn der es wünscht. Die schlechte ist die, die all das bricht, die nicht alles nach außen hin schön wirken lässt, die – um Gottes Willen – eigene sexuelle Bedürfnisse hat, was schon geil ist und ab und zu mal benutzt werden kann, aber halt nicht als Freundin oder Frau zu Hause – und wehe die eigene Tochter gehört dazu. Ich bin in dem Szenario natürlich ganz offensichtlich die Schlechte und damit habe ich mir jeden Respekt, der einem Menschen entgegen gebracht werden könnte, verspielt. Das ist das so genannte Hurenstigma.

In meinem Fall heißt das, dass ich mit meiner Familie und neuen Leuten nicht über meinen Alltag sprechen kann, weil ich Angst vor der Reaktion habe. Es heißt, ich hab mich echt scheiße gefühlt, als ich zu der laut „Prostituiertenschutzgesetz“ verpflichtenden Gesundheitsberatung gehen musste und mir mit einer Herablassung sondergleichen erklärt wurde, wie Verhütung nochmal funktioniert. Es heißt, ich habe enge Freunde verloren, weil die Person „auch wenn sie mich nicht verurteilen will, jetzt doch einfach irgendwie anders über mich denkt“.

Ich habe zum Glück Freunde, die Bescheid wissen, die mich unterstützen und mit denen ich über Erlebtes sprechen kann. Und ich bin weiß, ich bin Deutsche, ich bin Cis-Gender, nicht-behindert, Akademikerin, ich spreche die Landessprache fließend, ich kann lesen und schreiben und ich kann sogar Behördendeutsch verstehen. Das alles heißt, dass es viele Sexarbeiter*innen gibt, die in viel prekäreren Situationen arbeiten als ich.

Für Frauen mit weniger Privilegien bedeutet das Hurenstigma vielleicht Gewalt. Es bedeutet vielleicht, dass sie mit NIEMANDEM über ihren Alltag sprechen können. Es bedeutet Schwierigkeiten umzusteigen und einen neuen Job zu finden, eine schlechtere gesundheitliche Versorgung, Scham oder ein eigenes Risiko bei der Anzeige von Straftaten. Und das in einer Gesellschaft in der wir gerade vor ein paar Jahren angefangen haben, die Sexarbeit zu entkriminalisieren.

In letzter Zeit werden aber wieder Stimmen laut, die eine Kriminalisierung fordern, dieses Mal in Form eines Sexkaufverbots –  also Freier bestrafen und mir meine Arbeit im Prinzip unmöglich machen. Das Sexkaufverbot will angeblich Frauen schützen, nicht indem es Sexarbeit sicherer macht, sondern indem es Sexarbeit abschafft. Denn die Logik der Freierbestrafung ist nicht in erster Linie „wir müssen die Frauen unterstützen, die diesen Beruf ausüben“ sondern „Sexarbeit ist unmoralisch und sollte nicht stattfinden“. Welcome back beim Hurenstigma.

Was stimmt ist, dass Sexarbeit sexistischen, rassistischen und vielen anderen Strukturen unterliegt, weil unsere Gesellschaft sexistisch, rassistisch, queerfeindlich und vieles mehr ist. Und deswegen sind wir heute hier, deswegen organisieren wir uns, demonstrieren und tun alles Mögliche um dagegen zu kämpfen und vor allem auch um solidarisch zu sein und uns gegenseitig in unseren Kämpfen zu unterstützen! Denn das Hurenstigma ist immer auch das Stigma von Frauen, die ihre sexuelle Freiheit leben ohne dafür Geld zu verlangen. Die irgendwie anders nicht in das Bild der „Heiligen“ passen. Die ihr Leben so leben, wie sie es wollen und nicht wie unsere sexistische Gesellschaft es vorschreibt.

Deshalb bitte ich euch, seid auch ihr solidarisch mit Sexarbeiter*innen und kämpft für unsere Rechte. My Body, my choice!

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