Datenpolitik & Menschenhandel: Bericht von der KOK Fachtagung

Von 14. bis 15. Oktober lud der Bundesweite Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. (KOK) Expert*innen, Praktiker*innen und Politiker*innen ein, das Thema Datensammlung zu Menschenhandel und Ausbeutung im Kontext aktueller Entwicklungen in Deutschland diskutieren. BesD-Beirätinnen Maia (Gesundheit) und Nadine (Internationales & Forschung) waren vor Ort und fassen zusammen.

Spagat zwischen dem Bedarf nach Datensammlung und dem Anspruch auf Schutz persönlicher Daten

Seit der DSGVO (2015) werden die persönlichen Daten von Betroffenen sensibler behandelt und die Übermittlung, Feststellung und Verfolgung von Fällen (vor allem über Landesgrenzen) ist schwieriger geworden.

Sozialarbeiter*innen berichteten von den Schwierigkeiten im Arbeitsalltag Daten zu sammeln und den Datenschutz sicher zu gewähren (zB. ist das Herkunftsland nicht immer klar, da es offiziell heißt, das „Land wo die/der Betroffene sich vor der Ankunft in Deutschland aufgehalten hat“). Die größte Herausforderung bei der Datenerhebung bleibt die mangelnde Aussagebereitschaft der Betroffenen.

Sparen am falschen Ort

Einerseits können Hilfeeinrichtungen für Menschenhandel nur auf Basis von Fakten wirklich bedarfsgerecht finanziell und personell ausgestattet werden.

Die Beratungsstellen stehen andererseits oft unter Legitimationsdruck von ihren Geldgebern und müssen für ihre Stellen jedes Jahr kämpfen. Wenn steigende bzw. sinkende Fallzahlen dazu führen, dass Förderer entweder den Geldhahn abdrehen oder eine Stelle mehr finanzieren, müssen Mitarbeiter*innen im Grunde ständig um ihre Stelle fürchten.

Wir brauchen eine ausgeweitete und vor allem stabilere Finanzierung der Arbeitsplätze und faire Entlohnung jener Menschen, die in den Beratungsstellen vor Ort arbeiten und damit zu den wenigen Anlaufstellen gehören, die gute Kontakte zu Betroffenen aufbauen können.

Neue Strategien zur Erfassung von Menschenhandel

Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung die Einrichtung einer nationalen Berichterstattungsstelle zu Menschenhandel in Deutschland auf den Weg gebracht: Das Deutsche Institut für Menschenrechte entwickelt dazu ein Konzept.

Es wurde berichtet, dass das BKA an einem alternativen Verfahren zur Identifizierung und Verfolgung von Menschenhandel arbeiten würde, das nicht auf der Aussagebereitschaft der Betroffenen basiert.

Der KOK e.V. hat gemeinsam mit einigen seiner Mitgliedsorganisationen, die Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel sind, ein Datenerfassungstool entwickelt.

–> In diesem Blogartikel haben wir die ersten Auswertungen des KOK-Tools (Stand: Oktober 2021) zusammengefasst.

Fazit

Auf der Fachtagung des KOK wurden neben der Sexdienstleistungsbranche natürlich viele andere Bereichen wie Pflege, Bau, Landwirtschaft, Fischerei, fleischverarbeitende Industrie, Hauswirtschaft und Nagelstudios  beleuchtet.

Im Gegensatz dazu bezieht sich in der öffentlichen Wahrnehmung Menschenhandel und Ausbeutung leider in unangemessenen Maße auf unsere Branche.

Insbesondere Sexarbeitsgegner*innen verflechten gerne Sexarbeit mit Menschenhandel und verwenden dafür unbelegte Zahlen. Dass es derzeit nur wenige verlässliche Zahlen gibt und die Persönlichkeitsrechte, insbesondere von vulnerablen Personen Datensammlungen erschweren, macht es rein emotionalen Argumentationen natürlich leichter.

Eine genauere Definition von Menschenhandel könnte dazu beitragen, die unterschiedlichen Situationen der Betroffenen besser zu berücksichtigen. Es braucht klarere Strukturen in allen Bundesländern, um die Zusammenarbeit gegen Menschenhandel zwischen den Behörden zu verbessern und die Expertise aus den Beratungsstellen entsprechend zu nutzen.

Ein Erfolg von Initiativen wie dem KOK-Erfassungstool könnte dazu führen, dass im Bezug auf das Thema Menschenhandel in Zukunft verstärkt mit Fakten anstatt gefühlten Wahrheiten argumentiert werden kann.