Proud to be a sex(worker) and queer
Persönliches zum Hurentag von Sexarbeiterin und History-Nerd Madame Kali.
Wie jedes Jahr findet im Juni der Pride Month und zeitgleich mit ihm der internationale Hurentag statt.
Solange man nichts zu befürchten hat ist „rainbow-washing“ mittlerweile sehr in Mode gekommen. Schließlich leben wir im Jahr 2024 und da will man ja auch fortschrittlich sein!
Das gilt aber nur so lange man mit der Bekenntnis oder der Solidarität zu abweichendem sexuellen Verhalten oder gar Identitäten so gerade eben im Rahmen von dem bleibt, was gerade als gesellschaftlich akzeptiert gilt.
Daß die queere Community hinlänglich Kämpfe, Stigmata, Denuziationen und bis heute in manchen Ländern reale und z.T staatlich legaler Gewalt bis hin zu Todesstrafen ausgesetzt wurde, wird dabei gerne ausgeblendet. Sind doch die großen karnevalistischen Rave Parties aka CSD Paraden und Veranstaltungen drum herum auch für Firmen und Konzerne gerne ein Feld zur Aquise neuer Kundschaft.
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft knickte allerdings mit ihrem Bekenntnis in Form von Regenbogen-Armbinden in einem Auswärtsspiel in einem muslimischen Land leider ein. Dabei wäre es genau HIER angebracht gewesen Flagge zu zeigen! Soviel zur Solidarität.
Zurück zum CSD: Nichts gegen das Feiern – ganz im Gegenteil!
Auch wir Sexworkys haben in diesem Jahr im Mai in Berlin mit einer gigantischen Dance-Party-Demo erfolgreich auf unsere existentiellen Belange aufmerksam gemacht.
Und darum gilt es auch den Anfängen und somit auch Ur-Bedeutungen solcher Events Respekt zu zollen. Und da ist Sexarbeit z.T sehr eng mit der queeren Community verknüpft.
Der Aufstand in Stonewall Inn ist eng verwoben mit der Bürgerrechtsbewegung der Schwarzen und Latinos, der Frauenrechtsbewegung die sich in den 1960er-Jahren entwickelt hat. Eng verwoben war auch die Sexarbeitsszene, denn vor allem etliche der Transsexuellen und Transvestiten verdienten ihren Lebensunterhalt mit Sexarbeit.
Vorausgegangen waren auch immer wieder Anfeindungen durch die Polizei, so gab es Ende der 1960er Jahre eine legendäre Bombardierung von Polizisten in einer Cafeteria mit Donuts durch eine Drag Queen.
Die Stonewall Bar in der Christopher Street war seinerzeit DAS angesagte Szenelokal indem sich genau diese Community traf. Hatte man doch gerade erst erkämpft daß Alkohol an mehr als an 3 oder mehr Schwule gleichzeitig ausgeschenkt werden durfte. (1966)
In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Aktivistin Marsha P. Johnson verweisen, die bis zu ihrem immer noch ungeklärten frühen Tod 1992 eine der wichtigsten Figuren der weltweiten Queer-Bewegung war.
Nach den Ausschreitungen in Stonewall gründete sie später die “Street Transvestite (später Transgender) Action Revolutionaries” ein Kollektiv für wohnungslode trans Kids. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie auch mit Sexarbeit. 1974 stand Johnson Modell für Andy Warhol in dessen Polaroid-Reihe Ladies and Gentlemen und war auch Mitglied in Warhols Drag-Performance-Gruppe Hot Peaches. Mehr Infos zu diesem wundervollen Menschen findet ihr HIER.
Zu dieser Zeit fingen auch die Sexarbeitenden an, sich gegen gesellschaftliche Stigmata und polizeiliche Willkür zur Wehr zu setzen. Dieses Thema habe ich zum letzten internationalen Hurentag näher beleuchtet und ihr könnt es HIER nachlesen.
Die Vielfalt der Regenbogencommunity, gerade auch abseits bürgerlicher Rollenklischees und Lebensentwürfe zu akzeptieren, genau darum geht es. Rechte, nicht Rettung oder Umerziehung – reale Akzeptanz jenseits von voyuristischem, theatralen Gehabe.
Wer sich den Regenbogen auf die Fahne schreibt, sollte sich im Klaren darüber sein, wer da alles mit dazu gehört – Rotlicht eben auch.
In diesem Sinne: