Stellungnahme | Unsere Positionierung zum Sexkaufverbot-Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag
Nächsten Montag befasst sich der Familienausschuss in seiner öffentlichen Anhörung mit einem Antrag der Unionsfraktion der ein Verbot des Kaufs sexueller Dienstleistungen zum Ziel hat.
Vom BesD wird unsere politische Sprecherin Johanna Weber als geladene Sachverständige an der öffentlichen Anhörung teilnehmen.
Stellungnahme des Berufsverbandes erotische und sexuelle Dienstleistungen, BesD e.V. zum Antrag der CDU/CSU „Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution beenden – Sexkauf bestrafen“
Seit Jahren weist unser Verband auf die negativen Folgen eines Sexkaufverbotes / Nordischen Modells hin.
Gerade prekär arbeitende oder auf andere Art marginalisierte Sexarbeitende werden unter erschwerten Bedingungen weiter arbeiten müssen.
Unzureichende Ausstiegs-Projekte mit nur sehr geringer Nachfrage
Die versprochenen Ausstiegsprogramme sind reine Lippenbekenntnisse, und werden aufgrund fehlender Konzepte und Geldmittel nur sehr begrenzt zustande kommen.
Der Blick nach Frankreich, wo das Nordische Modell 2016 eingeführt wurde, bestätigt dies.Es haben in den ersten 3 Jahren nach der Einführung des Nordischen Modells nur 341 Personen effektiv vom Ausstiegsprogramm profitiert, dies sind zwischen 0,9% und 1,1% (Quelle 1)
Zunahme der Prostitution Minderjähriger
Zitat aus dem Bericht der Arbeitsgruppe des Justizministeriums (Quelle 2), die sich in den Jahren 2016 bis 2020 mit Minderjährigen in der Prostitution befasste:
Minderjährige Opfer von Zuhälterei in Frankreich:
2016: 116
2017: 170
2018: 205
2019: 206
2020: 400
Innerhalb von vier Jahren hat sich die die Zahl minderjähriger Opfer von Zuhälterei seit Einführung des Nordischen Modells mehr als verdreifacht.
Betroffene wenden sich weniger an die Polizei
Eine französische Studie von 2020 (Quelle 3) kam zu dem Schluss, dass nur 28% der Personen, die mit Beratungsstellen wegen Menschenhandel in Kontakt kamen, ihre Täter auch strafrechtlich verfolgen ließen.
Das Nordische Modell in Frankreich löst also auch nicht das Problem der geringen Strafverfolgung.
70% der Sexarbeiter beobachten entweder keine Verbesserung oder eine Verschlechterung ihrer Beziehungen zur Polizei (Quelle 4).
Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen
Eine französische Studie (Quelle 4) belegt:
- 88% der Sexarbeiter sind gegen die Kriminalisierung von Kunden.
- 63% der Sexarbeiter haben eine Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen erlebt.
- 38% der Sexarbeiter finden es immer schwieriger, die Verwendung von Kondomen zu
fordern. - 78% der Sexarbeiter haben einen Einkommensverlust erlitten.
- 42% der Sexarbeiter sind mehr Gewalt ausgesetzt als vor der Einführung des
Gesetzes.
In Deutschland hat das Arbeitsverbot für Sexarbeitende während der Corona-Pandemie einen identischen Effekt wie in Frankreich gezeigt (Quelle 5):
- das Preisniveau sank ab
- vermehrte Anfragen nach Praktiken ohne Kondom
- vermehrte Übergriffe / Zunahme von Gewalt
- Sexarbeitende waren kaum zu erreichen für Hilfsangebote
Unser Verband erwartet vergleichbare Auswirkungen durch die Einführung des Sexkaufverbotes/Nordischen Modells.
Bezugnahme direkt auf die Inhalte des CDU/CSU-Antrages
Zahlen zu Menschenhandel und Zwangsprostitution
Der CDU/CSU-Antrag spricht von unkontrollierter Ausbreitung von Menschenhandel und Zwangsprostitution durch die legale Sexarbeit. Auch werden weite Teile der Branche der organisierten Kriminalität zugeordnet, infolgedessen die überwiegende Zahl der Prostituierten zu ihrer Tätigkeit gezwungen sei.
Für alle diese Behauptungen gibt es keine wissenschaftlichen Nachweise oder sonstige Belege.
Das Bundeslagebild 2023 des BKA „Menschenhandel und Ausbeutung“ spricht eine andere Sprache:
„Die Anzahl der Verfahren bei sexueller Ausbeutung ist rückläufig, bei Arbeitsausbeutung hingegen erneut angestiegen.“ (Quelle 6)
Zahlen zu Krankenversicherungsstand
Die Zahl von 50 sozialversicherungspflichtig beschäftigen Sexarbeitenden findet sich im Antragstext. Es entsteht der Eindruck, dass nur ein verschwindend geringer Teil der Branche krankenversichert ist. Wir wünschen uns, dass Poliker*innen etwas gründlicher
hinschauen.
In der Sexarbeitsbranche gibt es so gut wie keine Angestelltenverhältnisse. Sexarbeitende sind selbstständig und müssen sich wie alle anderen Selbstständigen eigenständig versichern.
In einem Bericht des Familienministeriums über die Auswirkungen des ProstG findet sich
folgendes zu dem Thema:
„Von den schriftlich befragten Prostituierten waren die weitaus meisten (86,9 %) in irgendeiner Form krankenversichert. Nur ein kleiner Teil war nicht krankenversichert, dieser Anteil lag aber deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung.“ (Quelle 7)
Verbot von Prostitutionsstätten – Punkt 3 im Antrag
Anders als alle Länder, in denen das Sexkaufverbot eingeführt wurde, verfügt Deutschland über ein flächendeckendes Netzwerk verschiedener Prostitutionsstätten. Diese sind behördlich überprüft und polizeilich bekannt.
Sie bieten für viele Sexarbeitende einen guten und sicheren Arbeitsplatz. Natürlich gibt es hier noch Verbesserungspotential, doch
sehen wir uns auf einem guten Weg. Diese legalen Arbeitsplätze zu zerschlagen, treibt die Sexarbeitenden ins Unsichere und
zum Teil auch in die Illegalität.
Ausbau Beratungsstellen und Ausstiegsangebote – Punkt 5 und 6 im Antrag
Diesen Punkt im dem Maßnahmenkatalog begrüßen wir sehr, denn es handelt sich um eine Grundforderung unseres Berufsverbandes.
Ebenso sollten deutschlandweit die Gesundheitsämter auch kostenlose Untersuchungen speziell für Sexarbeitende ohne Krankenversicherung anbieten sowie kostenlose Behandlungen ermöglichen.
Förderung von Rückkehrprogrammen – Punkt 8 im Antrag
Hier zeigt sich eine ausländerfeindliche Haltung.
Wie beispielsweise die Forschung von Dr. Niina Voulajärvi (Quelle 8) deutlich macht,schädigt ein Sexkaufverbot Migrant*innen übermäßig. Der Antrag läßt vermuten, dass die CDU/CSU Betroffenen von Menschenhandel nicht konkret helfen, sondern lediglich in andere Länder abschieben will.
UNSERE HANDLUNGSVORSCHLÄGE
Wir als Berufsverband für alle in der Sexarbeit tätigen Menschen in Deutschland fordern keine Kriminalisierung der Sexarbeit, sondern:
- flächendeckende Versorgung mit akzeptierenden Beratungsstellen für Sexarbeitende sowie langfristige Finanzierung für diese
- deutschlandweit kostenlose Untersuchungsmöglichkeiten und Behandlungen in den Gesundheitsämtern auch für Menschen ohne Krankenversicherung
- den Aufbau eines niedrigschwelligen Ausbildungs- und Fortbildungssystem für Sexarbeitende – berufsbegleitend und freiwillig
- Bildung von länderspezifischen Community-Gruppen für migrantische Sexarbeitende
- ein Bleiberecht für Betroffene von Menschenhandel
- Abschaffung der Sperrbezirke
- die Aufnahme von Sexarbeit ins Allgemeine Gleichbehandlungs-Gesetz
Hier geht es nochmal zur Stellungnahme des BesD auf der Website des Bundestags:
Folgende Organisationen haben ebenfalls angeforderte beziehungsweise unangeforderte Stellungnahmen abgegeben:
- 20(13)123a angeforderte Stellungnahme – Deutscher Städtetag
- 20(13)123b angeforderte Stellungnahme – Erika Krause-Schöne, Gewerkschaft der Polizei
- 20(13)123c angeforderte Stellungnahme – Stefanie Kohlmorgen, Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (bufaS) e. V.
- 20(13)123d angeforderte Stellungnahme – Huschke Mau Gründerin Netzwerk Ella Historikerin, Autorin
- 20(13)123e angeforderte Stellungnahme – Andrea Hitzke Dortmunder Mitternachtsmission e. V
- 20(13)123g angeforderte Stellungnahme – Dr. Brigitte Schmid-Hagenmeyer Psychologische Psychotherapeutin
- 20(13)123i angeforderte Stellungnahme – Dr. Margarete Gräfin von Galen, Galen Rechtsanwälte, Fachanwältin für Strafrecht
- 20(13)124a unangeforderte Stellungnahme – Unabhängige Frauen Fürth (UFF) e. V.
- 20(13)124b unangeforderte Stellungnahme – ZEROMACHO Deutschland e. V
- 20(13)124c unangeforderte Stellungnahme – Bündnis Nordrhein-Westfalen pro Nordisches Modell
- 20(13)124d unangeforderte Stellungnahme – Landesfrauenrat Baden-Württemberg
- 20(13)124e unangeforderte Stellungnahme – SOLWODI Deutschland e. V
- 20(13)124g unangeforderte Stellungnahme – SOLWODI Baden-Württemberg e. V. Ostalb-Bündnis gegen Menschenhandel und (Zwangs-)Prostitution
- 20(13)124h unangeforderte Stellungnahme – Dona Carmen e. V.
- 20(13)124i unangeforderte Stellungnahme – AktionsGruppe Gleichstellung Bayern, AGGB
- 20(13)124j unangeforderte Stellungnahme – Diakonie Deutschland, Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.
- 20(13)124k unangeforderte Stellungnahme – AugsburgerInnen gegen Menschenhandel e. V.
- 20(13)124l unangeforderte Stellungnahme – Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e. V.
- 20(13)124m unangeforderte Stellungnahme – Bundesverband Nordisches Modell e. V.
- 20(13)124n unangeforderte Stellungnahme – TRANS*SEXWORKS
- 20(13)124o unangeforderte Stellungnahme – Deutsche Aidshilfe
- 20(13)124p unangeforderte Stellungnahme – Verband deutscher Laufhäuser e. V
- 20(13)124q unangeforderte Stellungnahme – LSVD⁺ – Verband Queere Vielfalt
- 20(13)124r unangeforderte Stellungnahme – Feministische Partei DIE FRAUEN
- 20(13)124s unangeforderte Stellungnahme – Landeshauptstadt Wiesbaden, Der Magistrat, Kommunales Frauenreferat
- 20(13)124t unangeforderte Stellungnahme – Gesellschaft für Sexarbeits- und Prostitutionsforschung e. V
- 20(13)124u unangeforderte Stellungnahme – Sex, Work, Law and Society Collaborative Research Network (CRN6), Law & Society Association
- 20(13)124v unangeforderte Stellungnahme – Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein e. V.