„Ich saß vor dem Fernseher und schüttelte nur den Kopf“ – Sexarbeiterin zur Tatort-Folge ‚Siebte Etage‘

Persönliche Stellungnahme zur Tatort-Sendung „Siebte Etage“ am 24.11. um 20:15, wurde zuerst hier in Nicole Schulzes Blog „Sexpertin von der Straße“ veröffentlicht


Ich habe bereits viele Berichte über die Tatort-Sendung gelesen, die am vergangenen Sonntag ausgestrahlt wurde. Nicht viele davon spiegeln die Realität wider, wie sie tatsächlich in meiner Branche aussieht.

In einem Bericht wurde sogar behauptet, dass es keine Vereinigungen gibt – das hat mich stark getroffen. Warum ignoriert ihr uns? Das ist ein Schlag ins Gesicht.

In dieser Sendung wurden sämtliche klischeehafte Aussagen über uns dargestellt:

Dass wir keine Gefühle haben, dass wir alle Zuhälter haben, dass wir uns fühlen wie ein Stück Fleisch und vieles mehr.

Ich saß vor dem Fernseher und schüttelte nur den Kopf.

Neu war in diesem Tatort, dass wir selbst zu Tätern werden und unsere Kunden umbringen.

Dass wir selbst zum Täter werden, naja, sonst wäre es kein Tatort. Ich hatte allerdings damit gerechnet, dass ein Kunde eine Sexarbeiterin umbringt und die Geschichte dann so erzählt wird, da das klischeehaft passen würde – schließlich werden unsere Kunden oft als Monster dargestellt.

Dass jedoch wir selbst zu Monstern gemacht werden, war neu für mich.

Ich wundere mich mittlerweile nicht mehr darüber, was über Sexarbeiter gesagt wird.

Alle scheinen unsere Branche zu kennen, außer wir, die wir täglich darin arbeiten und erleben, haben angeblich keine Ahnung!

Über uns müssen dann andere entscheiden. Uns wird die Selbstbestimmung abgesprochen! Uns werden unsere Rechte entzogen!

In meiner Heimat, in Trier, würde man sagen: „Wie lange geht das noch?“

Liebes Tatort-Team, was für eine missratene Geschichte!

Unrealistisch und voller Verachtung und Schmerz für all diejenigen, die selbstbestimmt ihren Beruf ausüben.

Und das sind nicht, wie unsere geliebte Politik behauptet, nur 1-10 Frauen, sondern es betrifft tausende Frauen, Männer und trans* Personen.

Ich wünsche mir endlich eine realistische Darstellung unseres Gewerbes.

Sexarbeit ist Arbeit und verdient Anerkennung.



Nicole ist seit über 20 Jahren im Geschäft. Zunächst  war sie auf der Straße tätig, seit einigen Jahren arbeitet sie in ihrem eigenen Wohnwagen.

Seit 2018 engagiert sie sich in ihrer Freizeit für die Rechte und Arbeitsplatzverbesserung von Kolleg*innen. Als Teil des BesD-Vorstands stand sie mehrere Jahre ehrenamtlich mit ihren Namen und Gesicht in der Öffentlichkeit für Sexarbeitende ein.

Nachwievor ist sie erste Ansprechpartnerin im Verband rund um das Thema Straßen-Sexarbeit und setzt sich regelmäßig öffentlich sowie hinter den Kulissen für Verbesserungen in der Branche ein – ob in Talkshows, Workshops, Gremien oder runden Tischen.

Hier liest Du mehr über sie und ihre Arbeit und findest verschiedene ihrer Beiträge.