Eklige Männer und Mordphantasien – was im Tatort als „Aufklärung über Sexarbeit“ durchgeht
Persönliche Stellungnahme von Sexarbeiterin und BesD-Mitglied Madame Kali zur Tatort-Sendung „Siebte Etage“ am 24.11. um 20:15.
„Man merkt dass [die Autoren] viel recherchiert haben.“
„Sie zeigen die ernüchternde Realität.“
„Aufklärungsfilm für ein Publikum, das sich über die Frauen, die Sexarbeit verrichten, noch keine Gedanken gemacht hat.“
So schreibt die FAZ über die Tatort-Folge „Siebte Etage“ vom 24.11.
Really? Das ist der richtige Ort und das richtige Format?
Eine fiktive Krimi-Reihe mit Betroffenheitscharakter, die sich diesmal mit Kameraschwenks und „in die Kamera erzählen“ zu allem Überfluss auch noch als besonders dokumentarfilmisch inszeniert?
Mit vier weiblichen, deutschen Protagonistinnen soll die „ernüchternde“ Realität von Leben und Arbeit von Sexarbeiter*innen dargestellt werden?
Damit soll ein Millionenpublikum über die Realität von Sexarbeit in Deutschland „aufgeklärt“ werden?
Der FAZ-Beitrag mit dem klingenden Namen „Eklige Männer“ scheint diese Fragen zu bejahen.
Die Tatort-Macher*innen scheint es nicht zu stören, dass ihre Darstellung nicht im geringsten mit der durchschnittlichen Realität von Sexarbeitenden in Deutschland übereinstimmt.
Ca 20% aller Sexarbeitenden sind männlich oder trans*, ca 75% davon sind Migrant*innen, die für die Arbeit nach Deutschland kommen. Abgesehen davon dass eine der deutschen Frauen einen migrantischen Hintergrund hat, wird nichts davon übernommen.
Klischeehaft und stark emotionalisierend wird mit dem Narrativ der Traumatisierung gespielt, als wäre dies bei der Sexarbeit an der Tagesordnung.
Alle haben ihren Zuhälter von dem sie auch noch entsprechend mit Zeichen tätowiert sind – wie in einem schlechten Krimi halt.
Und natürlich finden alle ihre Arbeit doof, können aber nicht raus weil…
Sieht man sich die Protagonistin Jasmin, dargestellt von Antonia Bill, näher an, erinnert deren Geschichte überdeutlich an die Geschichte der ehemaligen Sexarbeiterin und jetzigen radikalen Prostitutionsgegnerin Huschke Mau.
Wenn man sich anschaut aus wessen Feder das Drehbuch kommt wundert einen nichts mehr.
Autorin Frau Zahn schreibt auf ihrer Website: „Ich bin noch entschiedener zu einer Befürworterin des ‚Nordischen Modells‘ geworden. Das heißt […[ Kriminalisierung der Sexkäufer und Betreiber.“
Weiter stellt sie sexuelle Dienstleistungen, also Sex/Erotik gegen Bezahlung mit Mord und Diebstahl auf eine Stufe. Von ihren Worten fühle ich mich als Sexarbeiterin entmenschlicht und missachtet – genau das, was sie unserem/meinem Job vorwirft zu tun.
Ich frage mich ernsthaft warum solche populistischen Platitüden zur besten Sendezeit in der ARD verbreitet werden.
Wird hier der „Freierbestrafungs-Diskurs“ zu Ende phantasiert? Jetzt bis hin zum mehrfachen Mord? Der Titel des oben zititerten FAZ-Beitrags deutet darauf hin.
Weg von der Phantasie von Prostitutionsgegner*innen und hin zur Realität.
Bis heute konnte keine Studie und keine Evaluation erklären, inwiefern Sexarbeiter*innen davon profiitieren sollten, wenn ihre Arbeit in die Illegalität getrieben wird.
Ganz im Gegenteil! >Warum Sexarbeiter*innen ein Sexkaufverbot ablehnen
Spanien hat das sogenannte „Nordische Modell“ (was im übrigens weder „nordisch“ ist noch irgendeinen Modellcharakter besitzt) nach kurzer Zeit im Mai diesen Jahres wieder abgeschafft, weil es einfach komplett kontraproduktiv war, was den Schutz gerade marginalisierter Kolleg*innen angeht.
Unser Nachbarland Belgien wartet gerade aktuell mit Verbesserungen im gesellschaftlichen Status auf: Sozialversicherung und Rente für Menschen in der Sexarbeit.
In Deutschland haben die Restriktionen während der Corona Pandemie gezeigt, wie eine Illegalisierung die Arbeitsbedingungen von Sexarbeitenden maßgeblich verschlechtert.
Sexarbeit ist kein Job wie jeder andere – aber welcher Job ist das schon?
Als Tatortrerinigerin möchte ich jedenfalls meine Brötchen nicht verdienen.
PS: Weil man diesen grandiosen Klassiker, den ich schon für meinen Text „Sexarbeit – Ein Job wie jeder andere?“ nutzen durfte, nicht oft genug teilen kann – danke an die großartige Erzählmirnix Nadja Hermann!