Filmkritik „Wunderschöner“ – Einseitig, stigmatisierend und respektlos gegenüber Sexarbeit

Gastbeitrag von Nika Cyberslut

Es gibt Filme, die aufklären wollen – und dann gibt es Filme, die eine einseitige Weltanschauung als unumstößliche Wahrheit präsentieren. „Wunderschöner“, inszeniert von Karoline Herfurth, gehört eindeutig zur zweiten Kategorie. 

Als ich den Film im Kino sah, wollte ich am liebsten wütend aufstehen und den Saal verlassen. Nicht, weil ich das Thema Zwangsprostitution und sexualisierte Gewalt nicht ernst nehme – im Gegenteil, es sind hochrelevante Probleme, über die gesprochen werden muss. Doch statt einer differenzierten Auseinandersetzung zu führen, nutzt der Film diese ernsten Themen, um seine eigene Ideologie zu propagieren. 

Besonders problematisch ist dabei der Umgang mit Sexarbeit.  

Während sich der erste Teil der Filmreihe vor allem mit Schönheitsidealen und gesellschaftlichem Druck auseinandersetzte, dreht sich „Wunderschöner“ vor allem um Sexismus und Gewalt gegen Frauen. Grundsätzlich ist das ein wichtiges Anliegen. Doch der Film begeht einen großen Fehler: Er unterscheidet nicht zwischen Zwangsprostitution und freiwilliger Sexarbeit, sondern stellt Prostitution insgesamt als „bezahlte Vergewaltigung“ dar. Wer Sexarbeit ausübt, sei entweder ein Opfer oder sich nicht bewusst, dass sie sich selbst schade. Freier werden durchweg als Täter dargestellt.  

Menschenhandel ist ein Verbrechen – Sexarbeit ist es nicht 

Eines der zentralen Handlungsstränge zeigt eine junge Frau aus Rumänien, die zur Prostitution gezwungen wird. Sie wird von ihrem Zuhälter brutal ausgebeutet, kann sich nicht wehren, leidet unter Schmerzen und einer erzwungenen Abtreibung. Eine zutiefst erschütternde Geschichte, die leider für einige Frauen Realität ist – und ein Verbrechen, das mit aller Härte bekämpft werden muss. 

Doch anstatt sich darauf zu konzentrieren, Menschenhandel zu thematisieren und Lösungen aufzuzeigen, bleibt der Film nicht bei diesem Aspekt stehen. Vielmehr wird der Eindruck vermittelt, dass Prostitution generell nur aus Gewalt, Missbrauch und Zwang bestehe.  

Diese Gleichsetzung von Sexarbeit mit Menschenhandel ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Sie ignoriert die existierenden Unterschiede zwischen unfreiwilliger und freiwilliger Prostitution und trägt dazu bei, dass gesellschaftliche Vorurteile gegenüber Sexarbeiter*innen weiter zementiert werden. Sexarbeit ist in Deutschland legal, und es gibt zahlreiche Menschen, die diesen Beruf bewusst und selbstbestimmt ausüben. Ihnen das Recht auf Selbstbestimmung abzusprechen, nur weil es auch Fälle von Zwang gibt, ist eine bevormundende und diskriminierende Haltung.  

Das kalkulierte Framing gegen Sexarbeit

Besonders auffällig ist, wie manipulativ der Film arbeitet. Es gibt eine Talkshow-Szene, in der über Sexarbeit diskutiert wird. Dabei gibt es genau einen Charakter, der sich für Sexarbeit ausspricht – und dieser Charakter ist alles andere als sympathisch. 

Es handelt sich um eine Frau, die sich insgesamt toxisch verhält: Sie duldet sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, fordert von betroffenen Frauen, dass sie eben kündigen sollen, wenn sie sich gestört fühlen, und wird selbst als übergriffig dargestellt, indem sie Männer belästigt.  

Dass ausgerechnet diese unsympathische Figur als die einzige Pro-Sexarbeit-Stimme im Film positioniert wird, ist kein Zufall, sondern eine bewusste Strategie. Die Botschaft ist klar: Wer Sexarbeit verteidigt, ist moralisch fragwürdig. 

Durch diese Inszenierung wird jede ernsthafte Diskussion über freiwillige Sexarbeit im Keim erstickt. Stattdessen wird eine Schwarz-Weiß-Welt gezeichnet: Wer gegen Prostitution ist, steht auf der moralisch richtigen Seite, wer sie verteidigt, wird als fragwürdig oder ignorant dargestellt.  

Noch schlimmer wird es, als ein Teilnehmer der Talkshow – ein strikter Gegner von Sexarbeit – auf das Argument kontert, dass es viele Frauen gibt, die freiwillig in der Sexarbeit tätig sind. Sinngemäß behauptet er, dass diese Frauen zuvor bereits Opfer von sexualisierter Gewalt wurden und daher gar nicht merken würden, dass sie sich selbst weiter Schaden zufügen.  

Diese Argumentation ist nicht nur entmündigend, sondern auch zutiefst problematisch. Sie nimmt Opfern von Gewalt das Recht, über ihr eigenes Leben zu bestimmen. Nach dieser Logik dürfte keine Person, die jemals Gewalt erlebt hat, eigene Entscheidungen treffen – denn sie könnte ja „nicht merken“, was gut oder schlecht für sie ist. Es ist eine Haltung, die Betroffene von sexualisierter Gewalt erneut entmündigt, anstatt sie in ihrer Selbstbestimmung zu stärken.  

Sexuelle Selbstbestimmung nur, wenn sie ins Weltbild passt?

Was „Wunderschöner“ besonders widersprüchlich macht, ist die allgemeine Botschaft des Films: Frauen sollen selbstbestimmt leben, sich von gesellschaftlichen Zwängen befreien und sich nicht von sexistischen Strukturen unterdrücken lassen. Doch diese Selbstbestimmung scheint nur dann zu gelten, wenn sie ins Weltbild der Regisseurin passt.  

Denn wenn eine Frau sich dazu entscheidet, ihre Sexualität selbstbestimmt auszuüben und damit Geld zu verdienen, wird ihr abgesprochen, dass diese Entscheidung wirklich aus freiem Willen getroffen wurde. Stattdessen wird ihr eingeredet, sie sei ein Opfer, das es nur nicht besser wisse. Wo genau unterscheidet sich diese Haltung eigentlich von patriarchalen Strukturen, die Frauen vorschreiben wollen, was sie mit ihrem Körper tun dürfen und was nicht?  

Es ist ein Widerspruch, der sich durch den gesamten Film zieht: Die Botschaft ist, dass Frauen frei über ihre Körper und ihr Leben bestimmen sollen – aber eben nur, wenn ihre Entscheidungen mit der Ideologie des Films übereinstimmen.  

Pretty Woman? Geht gar nicht!

Als wäre das noch nicht genug, wird auch noch „Pretty Woman“ in einer Szene abgewertet – einer der wenigen Filme, die eine Sexarbeiterin nicht stigmatisieren, sondern ihr eine Liebesgeschichte ohne moralische Belehrung zugestehen. 

Natürlich ist „Pretty Woman“ eine romantisierte Hollywood-Version von Sexarbeit, aber der Film begeht nicht den Fehler, seine Protagonistin als hilfloses Opfer oder gebrochene Frau darzustellen. Dass „Wunderschöner“ es für nötig hält, diesen Film schlechtzureden, zeigt nur noch mehr, dass hier eine ganz klare Agenda verfolgt wird.  

Mein Fazit: Bevormundend, einseitig und stigmatisierend

Dementsprechend kann ich diesen Film nicht empfehlen. Er ist nicht nur einseitig und manipulativ, sondern auch respektlos gegenüber denjenigen, die sich bewusst für Sexarbeit entschieden haben. 

Es ist absolut notwendig, über sexualisierte Gewalt, Menschenhandel und Zwangsprostitution zu sprechen und sich aktiv für den Schutz der Betroffenen einzusetzen. Aber das bedeutet nicht, dass freiwillige Sexarbeit kriminalisiert oder moralisch verurteilt werden sollte.  

Ich setze mich entschieden gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution ein – aber ich werde mir nicht von Karoline Herfurth diktieren lassen, wie ich mein Leben zu führen habe. Sexuelle Selbstbestimmung bedeutet, dass Frauen ihre eigenen Entscheidungen treffen dürfen, auch wenn sie nicht in das Weltbild einer Filmregisseurin passen.  

„Wunderschön“? Nein. Einfach nur bevormundend.  

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Beitragsbild: Tima Miroshnichenko