Sexkaufverbot steht nicht im Koalitionsvertrag. Warum ist das so toll?
Kommentar von Johanna Weber
Für mich als politische Sprecherin waren die letzten Wochen sehr nervenaufreibend.
Ich wurde oft gefragt, wieso ich denn so besorgt sei.
Wieso wäre es eigentlich so schlimm, wenn das Sexkaufverbot im Koalitonsvertrag steht? Das käme doch eh ständig wieder in die Diskussion. Das sei doch also eh egal.
Nein, das ist eben nicht egal.
Also, Dinge die im Koalitonsvertrag stehen, werden üblicherweise in der Regierungszeit der betreffenden Koalition umgesetzt.
Da höre ich schon die Stimmen, die sagen: „Wieso? Seit wann machen die da oben, denn das was sie ankündigen!“
Also, ganz so schlimm ist es nicht. Von den „großen“ Dingen, die im Koalitionsvertrag stehen wird eigentlich schon alles angegangen.
„Ja, aber unser Thema ist doch komplett unwichtig. Das vergessen die doch dann wieder.“
Nein, leider vergessen die das nicht.
Es war klar, dass Sexarbeit/Prostitution im Koalitionsvertrag vorkommen würde.
Warum war das so klar?
Wir haben doch nun wirklich sowohl weltpolitisch als auch deutschlandpolitisch wichtigere Themen auf der Tagesordnung.
Stimmt.
Jedoch ist das aktuell gültige Prostituiertenschutzgesetz gerade in der Endphase. Die Evaluation dazu kommt im Sommer raus, und eigentlich ist schon klar, dass da nachgebessert werden muss.
Die Frauenunion sieht sogar so dringenden Handlungsbedarf, dass sie sie Evaluation gar nicht abwarten wollte, sondern sofort das nordische Modell, welches sie Sexkaufverbot nennen, einführen wollte.
Es gibt aber in der CDU immer mehr Stimmen von männlichen Parteimitgliedern und sogar Bundestagsabgeordneten, die das etwas anders sehen als ihre Damen.
In der SPD ist die Gemengelage bei dem Thema auch nicht eindeutig.
Unentwegt pochten die beiden Genossinnen, Leni Breymaier und Maria Noichl, auf das nordische Modell als einzige Lösung.
Also, gab es keine wirklich klare SPD-Position bei den Koalitionsverhandlungen.
Nun, im Grunde gilt in solchen Fällen immer das letzte offizielle Positionspapier der Partei zu dem Thema. Das ist schon einige Zeit her, aber da war die SPD noch auf dem Kurs gegen das nordische Modell. Natürlich kann man aber auch nach der gefühlten aktuellen Lage entscheiden…
Ich war wirklich sehr in Sorge.
Zu Beginn der Koalitionsverhandlungen gab es für jeden Themenbereich eine zuständige Gruppe aus Leuten, die zu dem Thema wahrscheinlich auch in dem zukünftigen Bundestags-Ausschuss sitzen werden und auch Ahnung haben. Das macht ja Sinn. Unser Thema ist bei Familienpolitik, und da waren gute Leute dabei.
Leider hat man sich dort nicht einigen können.
Und alle Themaen aus den erwähnten Gruppen, die nicht zu einer Einigung kamen, wurden dann an die sogenannte „19er-Runde“ weitergegeben. Diese 19 Personen aus CDU/CSU und SPD mußten dann zu sämtlichen Themen von Aufrüstung über Grundsicherung, Asylpolitik und so weiter eine Einigung finden. Leider waren keine wirklichen Experten für unseren Bereich dabei, aber eine gewisse Frau Bär von der CSU als vermeintliche Expertin, die sicher lauthals immer wieder das Sexklaufverbot gefordert hat.
Deshalb war ich persönlich von dem heute Nachmittag veröffentlicheten Ergebnis fast überfordert. Also, positiv überfordert.
„Deutschland ist so eine Drehscheibe für Menschenhandel geworden. Die Opfer sind ausnahmslos Frauen. Im Lichte der Evaluationsergebnisse zum Prostituiertenschutzgesetz werden wir mit Unterstützung einer unabhängigen Experten-Kommission bei Bedarf nachbessern.“
Danke, Danke, Danke liebe SPD!!!!!!!
Und was heißt das nun?
Die ersten beiden Sätze sind ganz klar von der CDU/CSU und die beiden Sätze danach sind von der SPD. Diese dort beschriebene unabhängige Experten-Kommission habe ich schon im Sommer letzten Jahres gefordert, denn sowas gibt es durchaus schon. Es wird bei besonders strittigen Themenbereichen eingesetzt. Dann arbeiten Menschen mit wirklichem Fachwissen zu dem Thema die Punkte heraus, die gesetzlich geregelt werden sollten, und übergeben dies dann an die Zuständigen im Bundestag.
OK, ich will nun nicht sagen, dass ich die Abgeordneten auf die Idee gebraucht habe, aber es freut mich, dass ich exakt den richtigen Riecher hatte.
Und wie geht es nun weiter?
Wie schon erwähnt kommt im Sommer die Evaluation des ProstSchG raus. Da es sich um eine sehr umfangreiche Studie handelt, kann es durchaus sein, dass sich das noch um 2-3 Monate nach hintern verschiebt.
Egal, denn in der Sommerpause des Bundestages passiert eh nichts.
Die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Evaluation rauskommt, mit dem ProstSchG sei ja alles prima, ist eigentlich Null.
Nein, es gibt wirklich keine Informationen vorab über die Ergebnisse, aber wer in dem Thema drin ist, der kann sich das an fünf Fingern abzählen.
Und dann muss der Bundestag ran – besser gesagt der Familienausschuss.
Und genau dann kommt die im Koalitionsvertrag erwähnte Experten-Komission ins Spiel.
Hier geht es dann nur um die vernünftige Besetzung. Natürlich müssen alle Seiten dort einen Platz finden, denn sowas nennt man ja Demokratie.