Jugendschutzgesetz im Bereich Sexarbeit
Deutschland hat ein sehr strenges Jugendschutzgesetz (JuSchG) 1).
Ziel des Jugendschutzgesetzes ist, Kinder und Jugendliche vor vielfältigen, oft auch subtilen Gefährdungen zu schützen und eine altersgerechte Entwicklung ermöglichen. Klassiker der Kinder- und Jugendschutzbestimmungen sind Regelungen zum Aufenthalt in der Öffentlichkeit und dem Alkohol- und Tabakkonsum. Weiterhin finden sich auch Bestimmungen zur Freigabe von Kinofilmen, Chat Foren oder auch Computer Games.
Das Jugendschutzgesetz ist ein Bundesgesetz. Konkrete Regelungen zum Thema Sexarbeit finden sich im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag 1). Darin sind die Bestimmungen geregelt, die zu dem Thema von den Bundesländern verabschiedet wurden. Aber auch dort finden sich keine exakten Angaben, welche Textstellen oder Bilder jugendfrei sind und welche erst ab 18 Jahren zugelassen sind.
Die mit Jugendschutz beauftragte Behörde, Jugendschutz.net, erklärt:
„Mittlerweile hat die Prostitution zwar einen gewissen Grad der gesellschaftlichen Akzeptanz erreicht. Geduldet werden jedoch werbende Massnahmen in diesem Bereich nur, wenn diese sich auf eine sachliche Darstellung der Dienstleistung beschränken und dabei jede grob-anstössige Formulierung oder Abbildung vermeiden.“
Was gilt als jugendgefährdend?
Der Werberat München erklärt dazu:
„Man muss berücksichtigen, dass sich die Sexualität gewandelt hat. Und das Thema Prostitution ist gesellschaftlich mittlerweile anerkannt“, erklärt Pressesprecherin Daniela Schlegel.
Entscheidend ist laut Frau Schlegel, wie die Werbung gestaltet ist. Darstellungen, die auch eine Urlaubs- oder Dessous-Werbung sein könnten, gelten nicht als jugendgefährdend.
Weiterhin sagt der Werberat:
„In der kommerziellen Werbung dürfen …keine Aussagen oder Darstellungen verwendet werden, die den Eindruck erwecken, Personen seien käuflich zu erwerben, die den herrschenden allgemeinen Grundüberzeugungen widersprechen (zum Beispiel durch übertriebene Nacktheit), die Personen auf ihre rein sexuelle Funktion reduzieren und/oder deren ständige sexuelle Verfügbarkeit nahelegen und die pornografischen Charakter besitzen…“
Dies dürfe nicht so gedeutet werden, dass sich der Werberat automatisch gegen jede Werbung für Prostitution stemmt. „Die angebotene Dienstleistung ist nun mal Sex und müsse auch beworben werden können – wenn sie sich an die rechtlichen Rahmenbedingungen hält.“ 3)
Unterschied jugendgefährdend und entwicklungsgefährdend
Die Unterscheidung dieser beiden Begriffe ist sehr wichtig für die Gestaltung von Sexarbeitswebseiten. Man geht davon aus, dass Jugendliche ab 16 Jahren nicht mehr so leicht in ihrer sexuellen Entwicklung zu beeinflussen sind wie Unter-16-Jährige. Die Webseite der freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen sagt dazu *1)
„Jugendliche ab 16 Jahren verfügen bereits über eine relativ gefestigte Werteorientierung, die es ihnen ermöglicht, sich auch mit problematischen Medieninhalten kritisch auseinanderzusetzen.“
Was bedeutet das für meine Sexarbeitswebseite?
Wenn dafür gesorgt wird, dass nur Menschen ab 16 Jahren die Webseite betrachten können, dann dürfen auch leicht entwicklungsgefährdende Sachverhalte dargestellt werden. Es gibt keine allgemeinen Vorgaben, welche Bilder oder Texte für über 16jährige als zumutbar gesehen werden.
Unter Entwicklungsgefährdung ist eine gravierende sozialethische Desorientierung zu verstehen.
Als Tipp kann gelten: erotische Darstellungen, die zwar Dinge andeuten, aber nicht explizit zeigen. Auch softe SM-Darstellungen oder Rollenspiele oder die Darstellung eines Dildos oder sonstigen Erotik-Toys sind sehr wahrscheinlich möglich. Aber auch dabei kommt es immer auf den Kontext drauf an. Es gibt, wie gesagt, keine generellen festen Regeln.
Wie kann ich gewährleisten,
dass nur Menschen über 16 auf meine Seite kommen?
Es gibt dazu spezielle Internetfilter oder Jugendschutzprogramme, die in die betreffende Webseite eingebaut werden müssen und dann den Zugriff für eine bestimmte Usergruppe verweigern. Natürlich wissen diese Programme auch nicht wie alt der oder die User*in ist. Doch die Eltern können das Jugendschutzprogramm auf den Geräten der Kindern installieren.
Es gibt verschiedene Anbieter. Wir empfehlen JusProg Es handelt sich um eine Filtersoftware, die Kinder vor nicht altersgerechten Inhalten im Internet schützt.
https://www.jugendschutzprogramm.de
Verlinkungen und Einbindungen von Social Media
Links zu anderen Webseiten
Es dürfen nur Webseiten verlinkt werden, die jugendfrei sind. Betreibende von Webseiten sind auch verantwortlich für die Inhalte Dritter, also auch für die Links. Der gerne genommene Umweg über Links die eigenen Pornofilmchen zu vermarkten, ist nicht erlaubt.
Einbindung von Social Media wie twitter, facebook, instagram, usw.
Auch dort muß jugendfrei kommuniziert werden. Auch alle Retweets müssen zu 100% jugendfrei sein! Du darfst nichts retweeten, teilen oder schreiben, was bedenklich ist. Da es sich bei diesen Medien um sehr flüchtige Kommunikationskanäle handelt, wo schnell reagiert werden muss, kann da leicht was Falsches geschrieben oder geteilt werden.
Wir raten von der Einbindung auf die eigene Webseite ab.
Auch ohne Einbindung muss auch auf facebook, twitter und Co jugendfrei kommuniziert werden. Die Kontrolle dieser Portale ist nur sehr sehr schwierig. Deshalb geht da super viel durch, was auf einer stehenden Webseite leider nicht geht.
Anforderungen an Bilder bei Veröffentlichungen im Bereich Sexarbeit
Ob ein Bild jugendfrei ist oder nicht, ist in vielen Fällen Auslegungssache.
Einige schöne Bildbeispiele finden sich auf der Berliner Liste des Rechtsanwalts Marco Dörre.
Anforderungen an Texte bei Veröffentlichungen im Bereich Sexarbeit
Ob ein Text jugendfrei ist oder nicht, ist in vielen Fällen Auslegungssache.
Wenn du als Kollegin deine ersten eigenen Werbetexte schreibst, dann weiß man in der Regel nicht, wie man das machen soll bei den ganzen Beschränkungen. Man gewöhnt sich aber dran, und es geht.
Hier der Link zu einigen guten Tipps, wie man einen jugendfreien Text schreibt.
Wer bei uns im Berufsverband den Jugendschutz bucht, bekommt eine genaue Einschätzung der eigenen Webseite von uns mit Hinweisen und Tipps, wie man das besser machen könnte.
Hilfreiches zu Texten:
Welche Angebote sind verboten?
Wie kann man als Webseitenbetreiber*in mit diesen Auflagen umgehen?
Kein ausreichender Jugendschutz ist:
Vorschalten einer „Ich bin über 18“ Seite
Vorschauseiten, wo der User „Ich bin über 18“ anklicken muss, reichen nicht aus, um jugendgefährdende Inhalte dahinter publik zu machen. Solche Maßnahmen können von der Jugendschutzbehörde als gutes Zeichen gewertet werden. Trotzdem müssen die dahinter liegenden Inhalte jugendfrei sein, denn es handelt sich um keine wirksame Sperre.
Jugendschutzfilter
JusProg ist eine Filtersoftware, die Kinder vor nicht altersgerechten Inhalten im Internet schützt. Eltern können diesen Filter auf dem Computer oder Smartphone ihrer Kinder installieren, und die dort registrierten Seiten werden nicht angezeigt.
Auch diejenigen, ihre Webseite bei Jusprog registrieren, müssen sich an die Jugendschutzbestimmungen halten. Da der Filter nicht als wirklich ischer gilt, dürfen dahinter keine jugendgefährdenden Inhalte dargestellt werden. Jusprog gilt aber als gutes Zeichen und ist dringend anzuraten. Auf der Webseite von Jusprog ist sehr gut erklärt, wie dieser zu installieren ist.
Wer muss einen Jugendschutzbeauftragten haben?
Welche Funktion haben Jugendschutzbeauftragte?
Die Jugendschutzbeauftragte muss keine Jurist*in sein, sich aber sehr gut mit den rechtlichen Bestimmungen und Auslegungen des Jugendschutzgesetzes auskennen. Es geht darum, die Inhaber von Webseiten mit jugendgefährdenden oder entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten zu beraten, wie sie ihr Inhalte präsentieren dürfen.
Auch soll die Jugendschutzbeauftragte Schreiben von Aufsichtsbehörden oder von jugendschutz.net richtig interpretieren, verstehen und dem Anbieter bei den Änderungen beraten.
Die Jugendschutzbeauftragte übernimmt nur beratende Position und ist nicht haftbar, wenn die Empfehlungen vom Betreiber*in der Webseite nicht umgesetzt werden.
Die Jugendschutzbeauftragte ist verpflichtet sich in dem Bereich regelmäßig fortzubilden oder mit anderen Jugendschutzbeauftragten auszutauschen. Dies machen die Zuständigen vom BesD regelmäßig auf den halbjährlich stattfindenden Mitgliederversammlungen.
Wer kontrolliert das?
Es gibt eine staatliche Behörde, die sich Jugendschutz.net nennt.
Diese Behörde hat den gesetzlichen Auftrag, Angebote in Telemedien auf Verstöße gegen den Jugendschutz zu prüfen und Maßnahmen bei Verstößen einzuleiten. Außerdem betreibt jugendschutz.net eine Beschwerde-Hotline, wo man jugendgefährdende Angebote melden kann.
Weitere Informationen unter: www.jugendschutz.net
Was sollte man tun, wenn ein Schreiben von jugendschutz.net eintrifft?
Sofort handeln, denn die Summen, die als Strafe aufgerufen werden, sind beachtlich. Es kann bis zu 500.000 Euro sein. Diese werden aber zunächst nur angedroht, und wenn man alle Fehler rechtzeitig beseitigt, dann gilt die Sache zunächst als erledigt. Man sollte das aber nicht auf die leichte Schulter nehmen und sich wirklich sofort drum kümmern.
Die Schreiben haben meistens Fristen und Mängellisten. Diese Mängellisten sind nicht zwingend vollständig. Jugendschutz.net macht nur auf den Verstoss allgemein aufmerksam. Als Webseitenbetreiber*in muss mann dafür sorgen, dass die Seiten jugendschutzkonform sind.
Am besten man kontaktet sogleich seine Jugendschutzbeauftragte*n, und macht sich gemeinsam an die Beseitigung der Mängel.
Ist Werbung für Prostituion eigentlich erlaubt?
Im §119 und §120 des Ordnungswidrigkeitengesetz (OwiG) steht, dass Werbung für Prostitution verboten ist. 4)
Dies wurde aber durch mehrere Gerichtsurteile außer Kraft gesetzt – hauptsächlich durch folgenden Prozess vor dem OLG Zweibrücken am 7.4.2008 :
„…Der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs vertritt die Auffassung, dass aufgrund des Inkrafttretens des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember 2001 am 1. Januar 2002 sowie dem gewandelten Verständnis in der Bevölkerung an einem generellen Verbot jeder Werbung für entgeltliche sexuelle Handlungen nach § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG nicht mehr festzuhalten sei. Das Verbot sei vielmehr auf solche Fälle zu beschränken, in denen durch die Werbung eine konkrete Beeinträchtigung von Rechtsgütern der Allgemeinheit, insbesondere des Jugendschutzes, eintritt….“ 5)
1) Jugendschutzgesetz und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag https://www.bmfsfj.de/blob/94082/3711cb37be8733a15a3c605cf326ee63/jugendschutzgesetz-jugendmedienschutz-staatsvertrag-data.pdf
2) § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG
→ http://www.it-recht-kanzlei.de/werbung-prostitution.html
Das OLG Zweibrücken führte hierzu aus:
„Die detaillierten Leistungsbeschreibungen sowie die Zeit- und Preisangaben widersprechen eklatant dem Anforderungsprofil des Bundesgerichtshofs an eine zulässige Werbung. Die Internetwerbung des Betroffenen ist weder nach Aufmachung, Inhalt oder Umfang in der gebotenen zurückhaltenden Form erfolgt. Sie ist nach Art des Werbeträgers und seiner Verbreitung geeignet, schutzbedürftige Rechtsgüter, Belange der Allgemeinheit einschließlich des Kinder- und Jugendschutzes, zu beeinträchtigen. Die dargestellte Kommerzialisierung von sexuellen Handlungen verstößt auch unter Berücksichtigung eines geänderten Verständnisses in der Bevölkerung dem Anstandsgefühl der Allgemeinheit.“aus Werberat : Bordell-Werbung in München: Was ist erlaubt?
→ https://www.wuv.de/marketing/bordell_werbung_in_muenchen_was_ist_erlaubt
3) §119 Abs.1 Nr.2 OwiG
…durch Verbreiten von Schriften, Ton- oder Bildträgern, Datenspeichern, Abbildungen oder Darstellungen Gelegenheit zu entgeltlichen sexuellen Handlungen anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt; dem Verbreiten steht das öffentliche Ausstellen, Anschlagen, Vorführen oder das sonstige öffentliche Zugänglichmachen gleich.
4) OLG Zweibrücken: Werbung für Prostitution darf nicht zu detailliert ausfallen
Gericht: Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken
Datum: 07.04.2008
Aktenzeichen: 1 Ss 178/07
→ http://www.presserecht-aktuell.de/urteile/medienrecht/olg-zweibrucken-werbung-fur-prostitution-darf-nicht-zu-detailliert-ausfallen/
5) Dies gelte, so das OLG Zweibrücken (Az.: 1 Ss 178/07, Beschluss vom 07.04.2008 ), unabhängig von der Frage, ob aufgrund des Inkrafttretens des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember 2001 (Bundesgesetzblatt I 2001, 3983) am 1. Januar 2002 eine einschränkende Auslegung des Werbeverbotes nach § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG vorzunehmen ist.