BERUFSBILD
Der Begriff Sexarbeit beschreibt die Branche der sexuellen und erotischen Dienstleistungen bzw. die Tätigkeit des Verkaufens von sexuellen und erotischen Dienstleistungen.
Sexarbeit findet in vielen Formen und an vielen Orten statt: Zum Beispiel in Terminwohnungen, in Bordellen, in Studios, in Laufhäusern, auf Parties, auf der Straße, oder in Wohnwägen. Kund*innen werden auch in eigenen Räumen empfangen, zu Hause oder im Hotel besucht.
Begrifflichkeiten: Sexarbeit oder Prostitution?
Bei „Sexarbeit“ handelt es sich um ein wertschätzendes Synonym von „Prostitution“ – letzteres ist ein wesentlich älterer und sehr verbreiteter Name für die Branche bzw. die Tätigkeit, der vor allem in der juristischen Sprache und oft in den Medien noch verwendet wird.
Viele in der Branche tätige Menschen bevorzugen den Begriff „Sexarbeit“ und die selbstgewählte Bezeichnung ihres Berufes als „Sexarbeiter/Sexarbeiterin“ gegenüber dem in der Gesellschaft eher abwertend konnotierten Begriff „Prostitution“ und der Bezeichnung als „Prostituierte/Prostituierter“.
Der Umgang mit Begrifflichkeiten ist sehr individuell und kontextabhängig. Beispielsweise bezeichnen sich manche Sexarbeitenden selbst stolz als „Huren“ oder nutzen Redewendungen wie „anschaffen gehen“, während diese Begriffe aus dem Mund nicht-sexarbeitender Menschen als negativ und beleidigend wahrgenommen werden können.
Wer ist in der Sexarbeit tätig?
Bei Sexarbeit handelt es sich um sehr vielfältige Branche – nicht nur die Arbeitsbereiche, sondern auch die Hintergründe und Lebenswirklichkeiten der darin tätigen Menschen umfassen eine große Spannbreite.
Viele Sexarbeiter*innen spezialisieren sich auf eine bestimmte Form der Sexarbeit – zum Beispiel sind sie als Escorts, im Laufhaus, im Bordell, als Dominas, als Masseur*innen, als Sexualassistent*innen, oder als Stripper*innen tätig. Menschen in der Sexarbeit entwickeln oft unterschiedliche Arbeitsidentitäten oder nützen unterschiedliche Arbeitsnamen in verschiedenen Arbeitsbereichen.
Zu einem Großteil arbeiten Frauen in der Branche, doch alle Geschlechter und alle sexuellen Orientierungen sind in der Sexarbeit vertreten. Nationalität, Hautfarbe, Religion und Migrationsgeschichte von Sexarbeiter*innen sind ebenso vielfältig, wie deren soziale und kulturelle Hintergründe.
Die Folge ist, dass sich Sexarbeiter*innen besonders schlecht in übersichtliche Schubladen stecken lassen. Das gleiche gilt für Kund*innen, die ihre Dienstleistungen in Anspruch nehmen.
„Wir sind keine homogene Gruppe. Wir haben unterschiedliche Geschichten, Beweggründe, Arbeitszufriedenheiten, Bildungsniveaus, Grade an Professionalisierung. Wir sind keine besseren oder schlechteren Menschen. Unter uns gibt es gebildete, rücksichtlose, hilflose, glückliche, verlorene, kriminelle, verantwortungsbewusste Menschen. Wir kommen aus gutem Hause, aus dem Kinderheim, aus Arbeiterfamilien, von den Philippinen und aus dem Saarland. Wir sind fünfundsechzig Jahre alt. Und neunzehn Jahre alt. Wir führen seit Jahren glückliche Beziehungen, wir werden von unserem Mann geschlagen, wir sind glückliche Singles mit großem Freundeskreis, wir lassen uns von unseren erwachsenen Kindern ausnützen, und wir werden von unserer Familie schon ein Leben lang liebevoll unterstützt. Kurz: Wir sind viele, wir sind völlig unterschiedlich, und wir lassen uns auch mit besten Willen nicht in ein Schema pressen.“
Was gibt es für Gründe, Sexarbeit zu machen?
Die Motivationen in die Sexarbeit zu gehen sind so vielfältig, wie die in der Branche tätigen Menschen. Diese Diversität erstreckt sich auch auf die Arbeitszufriedenheit und den Grad der Professionalisierung.
Für manche Sexarbeiter*innen handelt es sich um den Traumberuf schlechthin. Viele sind erfolgreiche Unternehmer*innen, die die extrem hohe Flexibilität der Tätigkeit schätzen. Auch der Wunsch Menschen zu helfen, die Motivation selbst zu einer sexpositiven Gesellschaft beizutragen, oder die Lust an der Arbeit mit dem eigenen Körper ist vertreten.
Für manche Sexarbeiter*innen ist Sexarbeit das kleinste annehmbare Übel oder nur vorübergehend – in der Branche finden sich überdurchschnittlich viele mehrfach marginalisierte Menschen, die besonders oft von Armut betroffen sind und zu denen vielfach auch Menschen ohne Papiere, Menschen ohne festen Wohnsitz, obdachlose Menschen und drogenkonsumierende Menschen zählen. Die Einkünfte, die sich in der Sexarbeit erzielen lassen übertreffen üblicherweise jene in der Erntehilfe, Pflege, Raumreinigung oder dem Einzelhandel.
Für viele ist Sexarbeit einfach die bevorzugte oder gerade bevorzugte Form eines sehr unabhängigen Arbeitens und Geldverdienens. Sexarbeit kann sowohl als Hauptberuf, als auch als gelegentlicher Nebenverdienst ausgeübt werden.
Welche Fähigkeiten und Kenntnisse sind in der Sexarbeit hilfreich?
Zum Einstieg in die Sexarbeit ist keine formale Ausbildung nötig. Die Tätigkeit als Sexarbeiter*in setzt jedoch üblicherweise viel Empathie und Einfühlungsvermögen voraus.
Eine wohlwollende Einstellung gegenüber Sexualität und Körperlichkeit ist nützlich, aber oft geht um vieles mehr als die Ausübung von sexuellen Akten. Bei der Sexarbeit setzen wir uns mit körperlichen, emotionalen und sozialen Bedürfnissen von Menschen auseinander. Dabei kann es um Sex und Sexualität gehen, aber auch Phantasien, Lebensfreude, Entspannung, Nähe, Zuwendung, Berührung, Anerkennung, Akzeptanz und zwischenmenschliche Kommunikation.
Die Kunst des Grenzen-Ziehens und die Achtsamkeit gegenüber der eigenen Psyche ist in dieser Branche erfahrungsgemäß sehr wichtig.
Welche Probleme gibt es in der Sexarbeit?
Stigmatisierung und kriminalisierende Gesetze fördern kriminelle Strukturen. Besonders gefährdet sind Personen aus bereits prekär lebenden Gruppen, die nicht oder nur wenig von staatlichen Strukturen und Schutz profitieren. Ausbeutungsverhältnisse florieren üblicherweise bei einem Mangel an Rechten und in schlechten Arbeitsbedingungen – Probleme, die leider auch aus anderen Branchen mit einem hohen Anteil von Arbeitsmigrant*innen hinreichend bekannt sind.
Die bei der Sexarbeit in vielen Fällen geleistete Emotionsarbeit ist zum Beispiel mit jener von Coaches, Therapeut*innen, Krankenpfleger*innen oder ähnlichen Berufen zu vergleichen, die körpernah und nahe am Menschen getätigt werden. Bei mangelnder Professionalisierung besteht bei der Sexarbeit ein ähnlich hohes Burn-Out-Risiko.
Auch ausbeuterischere private Beziehungsstrukturen, oft gepaart mit physischer oder psychischer Gewalt und bekannt unter dem Schlagwort „Loverboys“, können ein komplexes Problem sein. Dies fällt jedoch nicht unbedingt unter „klassische“ Kriminalität und kann daher leider nicht immer strafrechtlich verfolgt werden.
Da es in der Branche kaum sozialversicherte Angestelltenverhältnisse gibt, sind die meisten Sexarbeitenden selbstständig tätig – auch wenn sie regelmäßig in Prostitutionsstätten arbeiten. Viele sind ähnlich wie andere Allein-Selbstständige von Altersarmut betroffen und können nur wenig finanzielle Rücklagen bilden.
Wie lassen sich Probleme in der Sexarbeit bekämpfen?
Die oben genannten Probleme gehören zu den Gründen warum Information, Peer-to-Peer-Support und niedrigschwellige, vertrauensvolle Unterstützungsstrukturen in der Branche so wichtig sind.
Vor allem der Umgang der Politik mit Sexarbeit und Arbeitsmigration, die Gesetzgebung, aber auch die Anerkennung von Sexarbeitenden in der Gesellschaft haben großen Einfluss auf die Arbeits- und Lebensbedingungen (u.a. Arbeitszufriedenheit, Sicherheit, Umstiegsmöglichkeiten, Professionalisierungsmöglichkeiten) von Sexarbeiter*innen.
Eine starke Stimme für Sexarbeitende in der Politik und Gesellschaft ist und bleibt unerlässlich. Der Berufsverband fordert unter anderem die Ausweitung von Unterstützungssystemen für Sexarbeitende sowie die Anerkennung von Sexarbeit als freien Beruf und den Zugang zur Künstler-Sozial-Kasse. ⇒ Hier geht es zu einer Übersicht der Positionen und Forderungen des BesD.