Das Prostitutionsgesetz
Das ProstG ist seit dem 1. Januar 2002 in Kraft
Es handelt sich dabei um drei kleine Paragraphen, deren Inhalt kaum jemand kennt. Es steht auch nicht viel drin, denn im Vergleich zu anderen Gesetzen ist dieses extrem kurz.
Dennoch wurde das ProstG zum Symbol verschiedenster Ängste, Befürchtungen aber auch Wünsche und Hoffnungen. Die eine Seite sieht im ProstG den Anfang allen Übels und den Türöffner für Menschenhandel im großen Stil. Auf der einen Seite gilt das Gesetz als Meilenstein für die Gleichbehandlung von Sexarbeitenden und als wichtiger Schritt in Richtung Normalität dieses Berufsstandes. Dies ist auch die Meinung des BesD.
ProstG § 1
Sind sexuelle Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden, so begründet diese Vereinbarung eine rechtswirksame Forderung. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Person, insbesondere im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, für die Erbringung derartiger Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt für eine bestimmte Zeitdauer bereithält
Was heisst das?
Wir können seither unser Honorar einklagen.
Das klingt toll, ist aber nicht bahnbrechend, dass wir unsere Kunden verklagen können, wenn sie nicht zahlen. Da in der Regel vorher kassiert wird, ist dies nur selten ein wirkliches Problem in unserer Branche. Aber es hat seitdem tatsächlich schon Klagen gegeben, und es haben nach unserem Kenntnisstand fast immer die Sexarbeitenden gewonnen. Es lohnt sich also, sollte dieser Fall mal eintreten.
Hier zwei Beispiele:
Prostituierte klagt ihren Lohn ein
Freier beleidigt, Prostituierte muss 4000 € zahlen
Dies sind aber absolute Ausnahmefälle, so weist es auch die Evaluation des ProstG nach:
„Auch wenn bislang nur sehr wenige Prostituierte von ihrem Recht, einen Kunden auf Entgeltzahlung zu verklagen, Gebrauch gemacht haben bzw. sich die Notwendigkeit aufgrund der Vorkasse nicht stellte, gaben die meisten der schriftlich befragten tätigen Prostituierten (62,5 %) an, dies in Zukunft jedoch grundsätzlich tun zu wollen. Auch kann allein der Hinweis auf die Klagemöglichkeit zahlungsunwillige Kunden zur Einsicht bringen und die tatsächliche Klageerhebung somit überflüssig machen.“
Hat der Kunde auch Rechte?
Nein. Er bekommt sein Geld nicht wieder auch wenn die sexuelle Dienstleistung schlecht ausgeführt wurde.
Die Bundesregierung beruft sich dabei auf §§ 817 BGB „Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten“ und sagt:
„Gegen den Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Entgelts kann der Kunde gegenüber der Prostituierten nur die vollständige Nichterfüllung der sexuellen Handlung einwenden. Weitere Einwendungen und Einreden können weder im Verhältnis zwischen Prostituierter und Kunde noch zwischen Prostituierter und Bordellbetreiber geltend gemacht werden. Damit kann der Kunde sich z. B. nicht darauf berufen, die Leistung sei „nicht gut“ gewesen.“
Wegfall der Sittenwidrigkeit
Unsere Tätigkeit ist hiermit rechtswirksam anerkannt.
Die Evaluation des Prostitutionsgesetzes dazu:
„Wichtigste Regelung ist die gesetzgeberische Wertentscheidung, dass Verträge über sexuelle Dienstleistungen und damit die freiwillige Prostitution als solche juristisch als nicht mehr sittenwidrig anzusehen sind.“
Wie war es vorher? Was hat sich verbessert?
Die Sexarbeit war auch vorher schon erlaubt, aber eben sittenwidrig. Wir wurden geduldet, aber wir konnten mit unserer Berufsbezeichnung keine Krankenversicherung abschließen, kein Bankkonto eröffnen und solche Dinge. Dies alles ist seit dem ProstG möglich. Auch vor dem ProstG mussten Sexarbeitende Steuern zahlen. Dies wird gerne mal falsch dargestellt.
Auch unsere Arbeitsplätze haben sich durch den Wegfall der Sittenwidrigkeit verbessert. Vorher galt der Betrieb eines Bordells oder ähnlichem Betrieb als Förderung der Prostitution und war im Grunde verboten. Somit standen im Grunde alle Betreiber und Betreiberinnen immer mit einem Fuß im Gefängnis. Kein Wunder, dass es keine Edel-Bordelle gab. Wie sollte man denn in ein Etablissement investieren, wenn man jeden Tag damit rechnen muss, dass einem die Behörde, die Bude dicht macht. Unsere Arbeitsplätze sind schöner geworden und es gibt eine breitere Auswahl.
ProstG § 2
Die Forderung kann nicht abgetreten und nur im eigenen Namen geltend gemacht werden. Gegen eine Forderung gemäß § 1 Satz 1 kann nur die vollständige, gegen eine Forderung nach § 1 Satz 2 auch die teilweise Nichterfüllung, soweit sie die vereinbarte Zeitdauer betrifft, eingewendet werden. Mit Ausnahme des Erfüllungseinwandes gemäß des § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Einrede der Verjährung sind weitere Einwendungen und Einreden ausgeschlossen.
Aus § 1 wissen wir schon, dass Sexarbeitende ihre Kund*innen verklagen können, wenn diese das abgemachte Geld nicht zahlen wollen.
Der § 2 weist nun darauf hin, dass diese Klage von der sexarbeitenden Person selber geführt werden muss.
Was steckt dahinter? Es wird davon ausgegangen, dass viele Sexarbeitende eine*n „Zuhälter*in“ haben, der/die das verdiente Geld abnimmt. Nun soll diese*r nicht die Klage führen und auch noch das Geld aus dem eventuell gewonnenen Prozess einstecken.
ProstG § 3
Bei Prostituierten steht das eingeschränkte Weisungsrecht im Rahmen einer abhängigen Tätigkeit der Annahme einer Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts nicht entgegen.
Was heisst das?
Man kann als Sexarbeitende in einem sozialversicherungsrechtlichen Angestelltenverhältnis arbeiten. Dabei darf der/die Arbeitgeber*in (Bordellbetreiber*in) nur das Wann und Wo bestimmen aber nicht Wie, mit Wem oder Wieviel (eingeschränktes Weisungsrecht).
Der Gedanke hinter diesem Paragraphen war die Tatsache, dass viele Sexarbeitende keine oder nur unzureichende soziale Absicherung haben.
Damit ist nicht in erster Linie die Krankenversicherung gemeint.
Den Gesetzgebern ging es eher um Arbeitslosengelder und Altersabsicherungen. Unbestritten liegen da Defizite vor. Diese Probleme sind aber in allen anderen selbstständigen Berufen mit geringem Einkommen vorzufinden.
Durch ein Angestelltenverhältnisse würden Sexarbeitende automatisch in den Sozialversicherungen Mitglied sein. Dies will der § 3 möglich machen.
In der Praxis unserer Branche kommt dies zwar so gut wie gar nicht vor, aber die Möglichkeit zu haben ist auf jeden Fall gut. Das ist ein Schritt zur Gleichstellung mit anderen Berufen.
Wieso gibt es denn fast gar keine Angestellungsverhältnisse in unserer Branche?
Theorie und Praxis liegen hier leider weit auseinander, denn Angestellte sind ja normalerweise weisungsgebunden. Das heißt, man muss die Arbeit machen, die der Chef oder die Chefin einem sagt. So ist das in jedem Handwerksbetrieb, Büro oder sonst wo. Im Bordell würde das aber heißen, dass die Prostituierte*r jeden Kund*in bedienen muss. Egal ob die Kolleg*in will oder nicht.
Das ist etwas schwierig, und um dies zu umgehen wurde in § 3 das Weisungsrecht des Betreibenden eingeschränkt. Einer angestellten Prostituierten darf nur vorgeschrieben werden, Wann und Wo. Sie könnte also den ganzen Tag gemütlich auf dem Sofa im Aufenthaltsraum sitzen und bei jedem Kund*in sagen, dass sie den nicht machen will. Trotzdem müßte sie ihr Gehalt gezahlt bekommen. Kein Wunder, dass es so wenig Angestelltenverhältnisse gibt.
Und damit das auch wirklich verstanden wird ist der § 3 mit der Einführung des neuen Gesetzes (ProstSchG) geändert worden:
Änderungen des Prostitutionsgesetzes § 3
(1) Weisungen, die das Ob, die Art oder das Ausmaß der Erbringung sexueller Dienstleistungen vorschreiben, sind unzulässig.
(2) Bei Prostituierten steht das eingeschränkte Weisungsrecht im Rahmen einer abhängigen Tätigkeit nicht der Annahme einer Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts entgegen.
Im Rahmen des ProstG wurden auch noch einige andere Paragraphen geändert.
Interessant ist dabei folgender:
§ 181A StGB „Zuhälterei“
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer
- eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder
- seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.
(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.
Die rechtliche Bedeutung von Zuhälterei wurde geändert: Wenn man einfach durch die Sexarbeit einer anderen Person Geld verdient (z. B. als Bordellbetreiber, Betreiber einer Agentur) macht man sich nicht mehr strafbar. Strafbar wird man erst, wenn dadurch die „persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit“ der Sexarbeitenden eingeschränkt wird. Dies nennt man juristisch dirigistische Zuhälterei.
Vor der Änderung: Auf die Spitze getrieben wäre ein Taxifahrer, der eine Escort-Dame zu ihrem Date bringt schon ein Zuhälter. Er lebt vom Geld aus der Prostitution, ohne selber anschaffen zu gehen. Dies wurde natürlich nie geahndet, ist aber ein schönes Beispiel.