UNSERE POSITIONEN & FORDERUNGEN


Entkriminalisierung

Entkriminalisierung beschreibt die vollständige Abschaffung aller Gesetze, die Sexarbeiter*innen kriminalisieren oder auf andere Weise zur Ungleichbehandlung mit anderen Branchen führen. Die vollständige Entkriminalisierung von Sexarbeit ist die Voraussetzung für die legale Anerkennung von Sexarbeit.

Der Berufsverband fordert die Abschaffung aller Sondergesetze und Regulierungen, die Sexarbeiter*innen kriminalisieren, auf andere Weise behindern oder in strengerer Weise einschränkend wirken, als dies für vergleichbare Berufe der Fall ist. Strafgesetze, die sich explizit auf Sexarbeit beziehen, können Sexarbeiter*innen selbst kriminalisieren, aber auch ihre Kunden, Partner, Freunde, Familien oder Dritte (z. B. Vermieter, Fahrer, Webseitenbetreiber). Wir fordern nicht den rechtsfreien Raum, sondern sinnvolle Maßnahmen zum Schutz vor arbeitsbedingten Sicherheits- und Gesundheitsgefährdungen, wie sie in anderen Branchen auch üblich sind.

Legale Anerkennung

Legale Anerkennung heißt, dass sämtliche Aspekte der Sexarbeit als einvernehmlicher Tausch von Geld oder anderen materiellen Gütern gegen erotische und sexuelle Dienstleistungen anerkannt werden. Damit eine legale Anerkennung eintreten kann, muss zuerst eine Entkriminalisierung von Sexarbeit stattfinden.

Der Berufsverband fordert die Anerkennung von Sexarbeit als legitime Erwerbstätigkeit und gemeinsam mit Vertreter*innen der Branche entwickelten Arbeitschutz-Maßnahmen.

Achtung: Obwohl oft missverstanden, ist die Legalisierung kein Synonym für die legale Anerkennung und kein Synonym für die Entkriminalisierung von Sexarbeit. Legalisierung beschreibt die Schaffung neuer Gesetze und Vorschriften, um Sexarbeit staatlich zu regulieren und zu kontrollieren. Beispiele hierfür sind: Erlaubnispflicht, Kondompflicht, Hurenausweis. Das Ziel von Legalisierung ist die staatliche Regulierung und Kontrolle von Sexarbeit. Eine Legalisierung kann zur Einhaltung klar definierter Vorschriften eine höhere Rechtssicherheit bieten. Jedoch wird Sexarbeit durch Sondergesetze auch als grundsätzlich zu kontrollierende und potentiell kriminelle Berufsgruppe diskriminiert. Alle Sexarbeiter*innen,  die sich staatlichen Kontrollen nicht unterwerfen wollen oder können, werden illegalisiert. Der Berufsverband lehnt Sondergesetze für Sexarbeitende ab und fordert eine legale Anerkennung von Sexarbeit beziehungsweise die Anerkennung von Sexarbeit als Beruf.


Was sich ändern muss, damit sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen verbessern.

Für Sexarbeitende:

  • Beendigung der stigmatisierenden und ineffektiven Registrierungs- und Beratungspflicht für Sexarbeitende:
    Durch das ProstSchG werden viele SW in die Illegalität gedrängt, weil sie sich aus verschiedenen Gründen nicht anmelden können oder wollen.

Für Betreiber*innen:

  • Abschaffung von Übernachtungsverbot in Prostitutionsstätten
  • Abschaffung der Sperrgebiete
  • Betriebe, die gleichberechtigt von Sexarbeitenden selbst geführt werden, ohne dass eine Person durch die Sexarbeit der anderen profitiert, sollten nicht als Prostitutionstätten gelten
  • Flächendeckender Zugang für Sexarbeiter*innen zu Gesundheitsberatung und gesundheitlicher Versorgung, mit und ohne Krankenversicherung.
  • Erweiterung der Angebote für Sexarbeiter*innen ohne Krankenversicherung um:
    – PrEP und PEP
    – HIV-Therapie
    – Behandlung von STIs
    – Schutzimpfungen
    – ärztliche (inbesondere gynäkologische) Sprechstunden
  • Förderung von bedarfsgerechten Präventions- und Behandlungsangeboten sowie geschützte Räume für drogenkonsumierende Sexarbeiter*innen
  • Verstärkte Aufklärung zu PrEP und PEP in den Gesundheitsämtern sowie vereinfachter und niedrigschwelliger Zugang zu den Medikamenten

Krankenversicherung (siehe nächster Punkt):

  • Auch und insbesondere Sexarbeiter*innen ohne Krankenversicherung benötigen anonyme und freiwillige Anlaufstellen
  • Viele Sexarbeiter*innen mit PrEP-Bedarf sind nicht krankenversichert
  • HIV-Therapie für alle Menschen mit HIV gewährleisten, auch jene ohne Krankenversicherung
  • Hürden für den Eintritt in die gesetzliche Krankenkasse abbauen
  • Bundesweiter Ausbau von Clearingstellen zur Klärung des Versicherungsschutzes
  • Anpassung des Aufenthaltsgesetzes um Gesundheitsversorgung von der Übermittlungspflicht auszunehmen – würde es Menschen ohne Papiere ermöglichen medizinische Leistung zu beanttragen ohne Abschiebung zu riskieren

In einer deutschlandweiten Studie der Aidshilfe von 2024 wünschen sich Sexarbeiter*innen Maßnahmen zur Sensibilisierung ihrer Kund*innen:

  • Respektvoller Umgang, Nein heißt Nein
  • Faire Bezahlung, kein Herunterhandeln von Preisen
  • Kondomnutzung muss akzeptiert werden
  • Aufklärung über sexuell übertragbare Krankheiten und niedrigschwellige Testangebote auch für Kund*innen

Wir  fordern die vermehrte finanzielle Unterstützung von anonymen und niedrigschwelligen Beratungsstellen für Sexarbeitende. Gerade für marginalisierte Kolleg*innen setzt ein Umstieg eine zum Teil intensive Betreuung voraus und ist oft sehr komplex.

Generell sind Umstiegsangebote schwierig zu verwirklichen, es gab dazu ein sehr umfangreiches, mehrjähriges Projekt des Familienministeriums –> Unterstützung des Ausstiegs aus der Prostitution.

Erklärung folgt

Wir fordern ein niedrigschwelliges Ausbildungs- und Fortbildungssystem für Sexarbeitende. Nicht als Berufsausbildung, sondern berufsbegleitend und freiwillig. Eine Idee wäre beispielsweise die Ausbildung von Sexarbeitenden für die Vermittlung von Sexualkundeunterricht an Schulen. Mögliche Themen: Konsens, Aufklärung über Loverboy-Masche, Verhütung, Spaß am Sex, Nein heißt Nein / Kommunikation, Pornos und Realität.

  • Abschaffung der Sonderregelung
  • Steuerliche Gleichbehandlung von Sexarbeiter*innen mit anderen Selbstständigen


Die Sonderregelung Düsseldorfer Modell (Bezahlen einer Vorabsteuer speziell für Sexarbeiter*innen) hat keine Rechtsgrundlage:

In der Theorie ist die Teilnahme freiwllig, in der Praxis haben Sexarbeiter*innen oft keine Wahl:

Viele erhalten keine Belege für geleistete Zahlungen, haben keine Steuernummer und  gleichzeitig wird fälschlich vermittelt dass die Vorrauszahlung die normale Einkommensteuererklärung ersetzt.

In der Coronapandemie konnten viele Sexarbeiter*innen so keine Coronahilfen beantragen – obwohl sie ihnen zugestanden hätten.