Datenschutz mit dem ProstSchG: Anfrage des BesD an die Landesfinanzämter und Fraktionsvorstände

Das ProstituiertenSchutzGesetz ist da und immer noch ist vieles unklar! Die ganze Tragweite des ProstSchG ist kaum zu überblicken. Vor allem durch die automatische Meldung an das Finanzamt ergeben sich verschiedene Fragen, die vor allem den Datenschutz betreffen. So ist damit zu rechnen, dass uns das Finanzamt zukünftig mit der Gewerbebezeichnung ‚Prostituierte*r‘ führt. Diese Information findet sich dann auch in den Dokumenten des Finanzamtes, die an uns nach Hause geschickt werden und aufzuheben sind. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Berufsbezeichnung an die Industrie- und Handelskammer weitergegeben wird. Es ist schwer zu überblicken, wo diese Information dann noch überall landet.

Um auf diese Problematik aufmerksam zu machen und Antworten auf unsere Fragen zu bekommen, haben wir eine Anfrage an die Fraktionsvorstände der Parteien gestellt.

Durch das ProstSchG ergeben sich einige weitere Fragen in Bezug auf die Finanzbehörden und deren Umgang mit uns. Neben den Fragen zum Datenschutz interessiert uns auch, ob das Düsseldorfer Verfahren, bei dem vorab Steuern erhoben werden, weiter notwendig ist. Und wir machen zum Beispiel auf die zu hohen Sätze bei Steuerschätzungen aufmerksam. Um diese offenen, für uns alle wichtigen Fragen zu klären, hat sich der BesD mit einer umfangreichen Anfrage an die Landesfinanzministerien gewendet.

Wir sind auf die Antworten gespannt und halten euch auf dem Laufenden …

Hier sind die von uns formulierten Anschreiben in ganzer Länge:

Anfrage an die Fraktionsvorstände

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit Juli diesen Jahres ist das ProstituiertenSchutzGesetz in Kraft; es wurde trotz massiver Bedenken der Betroffenen verabschiedet, eine umfangreiche Kritik (auch in deutscher Sprache) finden Sie hier: http://www.sexworkeurope.org/news/general-news/germany-sex-workers-rights-day-icrse-launches-briefing-paper-germanys-new

Aktuell herrscht eine große Verunsicherung unter den Kolleg*innen; die vom ProstSchG versprochene Rechtssicherheit ist nicht absehbar, bei vielen Einzelfällen ist eine klare Einordnung in die Rechtsvorschriften kaum möglich. Viele selbstbestimmte Bereiche werden durch das neue Gesetz eingeschränkt oder illegalisiert (vor allem kleine Inhaber*innengeführte Wohnungsbordelle, die in Zukunft an den Bauvorschriften scheitern). Nicht Deutsch sprechenden Kolleg*innen fällt es schwer überhaupt zu verstehen, was das komplexe ProstSchG für sie bedeutet – einige werden auf die Hilfe von Dritten angewiesen sein, um die bürokratischen Hürden bewältigen zu können, manche werden sich nicht anmelden können, weil sie keine Aufenthalts- oder Arbeitsgenehmigung haben. In diesen Fällen erhöht das ProstSchG die Abhängigkeit von Dritten und drängt einen großen Teil der in Deutschland tätigen Sexarbeiter*innen in illegale Bereiche, ohne Anmeldung können sie in keinem ‚offiziellen‘ Bordell mehr arbeiten. Wir alle sind extrem um die Sicherheit unserer Daten besorgt; für viele ist es existentiell die Art ihrer Tätigkeit zum Teil auch vor den engsten Angehörigen (Freunde, Partner, Kinder, Eltern, Arbeitskollegen…) geheim zu halten, zu groß ist die (häufig nicht unbegründete) Angst vor sozialer Ächtung oder auch Erpressung – Sexarbeit ist wohl einer der stigmatisiertesten Berufe überhaupt, auch in einer liberalen Gesellschaft wie Deutschland! Zukünftig einen ‚Hurenausweis‘ bei uns tragen zu müssen, ist eine unglaubliche Zumutung! An Stelle von ‚Schutz‘ birgt dieser die Gefahr eines ungewollten Outings und in den falschen Händen kann er zum diskreditierenden Erpressungsinstrument werden.

An all diesen Punkten lässt sich seit der Verabschiedung des ProstSchG nicht mehr viel ändern; eine Verfassungsbeschwerde ist eingereicht, dieser Prozess wird allerdings viel Zeit in Anspruch nehmen, bis ggf. Änderungen am ProstSchG vorgenommen werden. In Bezug auf den Schutz unserer Daten möchten wir allerdings noch auf einen Punkt aufmerksam machen, an dem es unserer Ansicht nach durchaus möglich wäre Maßnahmen zu ergreifen, die uns vor allem vor einem ungewollten Outing und/oder Erpressung schützen:

Bei den Finanzämtern haben sich in der Vergangenheit viele Sexarbeitende unter anderen Gewerbebezeichnungen (Hostess, Model, Masseur, Coach…) angemeldet und ihre Einkünfte aus der Sexarbeit so versteuert.
Es kam gelegentlich vor, dass ein*e Sexarbeiter*in vom Finanzamt angeschrieben wurde, um seine*ihre Gewerbebezeichnung gemäß dem Gewerbekennzahlenregister auf ‚Prostituierte*r‘ anzupassen. Das ist häufig sehr problematisch, denn wenn in Schreiben des Finanzamtes als Tätigkeit ‚Prostituierte*r‘ genannt wird, kann diese (potentiell diskreditierende) Information in die Hände Dritter gelangen.

1. Viele Krankenversicherungen lehnen trotz des ProstG, welches Sexarbeitenden das Recht auf Sozialversicherungen zuspricht, Mitgliedsanträge von ‚Prostituierten‘ ab.

2. Häufig wissen nicht mal die engsten Angehörigen (oder nur ein kleiner Teil) von der Tätigkeit; ein Schriftstück, selbst wenn man es gut verstaut, kann z.B. in die Hände von Kindern oder unwissenden Partnern fallen und so großen Schaden im privaten Umfeld der Betroffenen anrichten.

3. Die Finanzämter übermitteln häufig die Daten an die örtlichen IHKs, wir würden gerne sicherstellen, dort nicht als ‚Prostituierte‘ gelistet zu sein.

4. Für Sexdienstleister*innen aus dem Ausland kann es besonders gefährlich werden, wenn die heimische Finanzbehörde Daten über die Art der Tätigkeit erhält und Sexarbeit in dem Land illegal ist! Dies ist in so gut wie allen süd-osteuropäischen Ländern der Fall, Sexarbeiter*innen werden dort strafrechtlich verfolgt und sozial extrem geächtet.

Im Zuge des Prostituiertenschutzgesetzes, nachdem bei der verpflichtenden Anmeldung als Prostituierte*r eine automatische Meldung an das Finanzamt erteilt wird, ist damit zu rechnen, dass diese Fälle vermehrt und flächendeckend passieren. Wir haben nun schon ein wenig zu dem Thema recherchiert und können verstehen, dass es dem Finanzamt aus statistischen Gründen wichtig ist, die Tätigkeit unter diesem (diskriminierenden) Begriff zu führen.

An dieser Stelle wollen wir nochmals darauf hinweisen, dass die Speicherung persönlicher Daten in Verbindung mit Informationen zum Sexualleben einer Person das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und die Richtlinie des Europäischen Parlaments zum „Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten“ verletzt (Siehe Artikel 8; Europäisches Parlament „Richtlinie 95/46/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 24. October 1995). Insofern sollte neben dem ‚Hurenausweis‘ soweit wie möglich darauf geachtet werden, dass keine weiteren Dokumente, die persönliche Daten im Zusammenhang mit der Tätigkeit als ‚Prostituierte*r‘ enthalten produziert und in Umlauf gebracht werden!

Wir bitten sie die Umsetzung folgender Punkte zu klären:

a) Inwieweit ist es notwendig die Bezeichnung ‚Prostituierte*r‘ für den internen Gebrauch bei den Finanzämtern zu benutzen?

b) Wie kann sichergestellt werden, dass die Bezeichnung der Tätigkeit in sämtlichen Daten- und Briefverkehr nach außen nicht genannt wird? Dies betrifft sowohl die Post an den Haushalt der betroffenen Person, als auch den Austausch von Daten mit ausländischen Behörden und die Meldungen an die IHKs.

Wir schlagen einen generellen Vorgang vor: Grundsätzlich sollte der Begriff ‚Prostituierte*r‘ in jedem Daten- und Schriftverkehr nach außen durch ’selbstständige Tätigkeit‘ oder ’sonstige Dienstleistung‘ ersetzt werden.

Schon im Voraus vielen Dank für ihre Bemühungen,

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Bölts Finanzvorstand
Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V

 

Anfrage an die Landesfinanzministerien

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen ist aktuell sehr beschäftigt mit den Auswirkungen des neu in Kraft getretenen ProstituiertenSchutzGesetzes. Hierbei ergeben sich auch Fragen im Zusammenhang mit dem Thema Steuern:

1. Datenschutz bezüglich der Gewerbebezeichnung Laut §36 Absatz 8 ProstSchG wird jede Anmeldung weitergeleitet an das FA. Da es sich bei der Prostitution nach wie vor um einen extrem stigmatisierten Beruf handelt, ist es für den Lebensalltag und die weiteren Perspektiven aller in der Sexarbeit Tätigen sehr wichtig, keine nachweisbaren Spuren zu hinterlassen. So können selbst Schriftstücke vom Finanzamt, auf denen der Begriff ‚Prostitution‘ steht zum Beispiel zu einem Outing vor nahen Angehörigen (Kindern, Partnern, Eltern) führen. Für Sexdienstleister*innen aus dem Ausland kann es besonders gefährlich werden, wenn die heimische Finanzbehörde Daten über die Art der Tätigkeit erhält und Sexarbeit in dem Land illegal ist! Dies ist in so gut wie allen süd-osteuropäischen Ländern der Fall, Sexarbeiter*innen werden dort strafrechtlich verfolgt und sozial extrem geächtet. Wir bitten sie die Umsetzung folgender Punkte zu klären: a) Inwieweit ist es notwendig die Bezeichnung ‚Prostituierte*r‘ für den internen Gebrauch bei den Finanzämtern zu benutzen? b) Wie kann sichergestellt werden, dass die Bezeichnung der Tätigkeit in sämtlichen Daten- und Briefverkehr nach außen nicht genannt wird? Dies betrifft sowohl die Post an den Haushalt der betroffenen Person, als auch den Austausch von Daten mit ausländischen Behörden und die Meldungen an die IHKs.

An dieser Stelle wollen wir nochmals darauf hinweisen, dass die Speicherung persönlicher Daten in Verbindung mit Informationen zum Sexualleben einer Person das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und die Richtlinie des Europäischen Parlaments zum „Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten“ verletzt (Siehe Artikel 8; Europäisches Parlament „Richtlinie 95/46/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 24. October 1995). Insofern sollte neben dem ‚Hurenausweis‘ soweit wie möglich darauf geachtet werden, dass keine weiteren Dokumente, die persönliche Daten im Zusammenhang mit der Tätigkeit als ‚Prostituierte*r‘ enthalten produziert und in Umlauf gebracht werden!

Wir schlagen einen generellen Vorgang vor: Grundsätzlich sollte der Begriff ‚Prostituierte*r‘ in jedem Daten- und Schriftverkehr nach außen durch ’selbstständige Tätigkeit‘ oder ’sonstige Dienstleistung‘ ersetzt werden.

2. Umsatzsteuerheft Müssen Prostituierte als naturgemäße Unternehmer*innen ohne gewerbliche Niederlassung ein Umsatzsteuerheft führen? Falls JA, mit welcher Begründung?

3. Weiterleitung an die IHK Erfolgt eine Weiterleitung der Anmeldung an die zuständige IHK? Wenn JA, mit welcher Begründung und wie kann dafür gesorgt werden, dass zum Beispiel die Bezeichnung ‚Sonstige Dienstleistungen‘ verwendet wird und nicht ‚Prostituierte‘?

4. Neue Steuernummer für schon bestehende Meldungen? Die meisten in Deutschland wohnenden Sexarbeiter*innen sind steuerlich angemeldet – allerdings unter einer anderen Berufsbezeichnung. Bekommen diese eine neue Steuernummer? Wenn JA, müssen diese Personen sich selber um eine neue Anmeldung beim zuständigen FA kümmern oder läuft dieser Prozess automatisch? Können weitere Tätigkeiten auf derselben Steuernummer getätigt werden? Und auch hier gab es schon Fälle, in denen Betroffene durch die Post des Finanzamtes, welche darauf hinweist, dass die Tätigkeit unter der falschen Gewerbebezeichnung betrieben wurde und nun auf ‚Prostituierte*r‘ korrigiert wird in problematische Situationen gebracht wurden.

5. Steuer-Anmeldung bei neu in der Branche Tätige? Muss eine Person, die als Prostituierte anfängt, sich selbst um eine neue Anmeldung beim zuständigen FA kümmern oder fällt dies nun weg, denn es erfolgt ja eine Meldung an das FA von der Registrierungsstelle?

6. Steuernummer für EU-Bürger Nicht in Deutschland Wohnende aber in Deutschland beruflich Tätige können die hiesigen Einnahmen laut EU-Doppelbesteuerungs-Abkommen in ihrem EU-Heimatland (oder Schweiz) versteuern. Müssen sie aufgrund des ProstSchG nun auch in Deutschland eine Steuernummer beantragen oder erhalten sie diese automatisch? Wenn JA, müssen sie eine Steuererklärung abgeben und was muss drin stehen? Vor allem in Fällen des Doppelbesteuerungsabkommens ist es extrem wichtig, dass keine Informationen bezüglich der Tätigkeit an ausländische Finanzbehörden übermittelt werden!!

7. Steuernummer ohne festen Wohnsitz Ein großer Teil der Sexarbeitenden stammt aus dem EU-Ausland und hat keinen festen Wohnsitz in Deutschland. Gilt die von der Registrierungsstelle akzeptierte Adresse auch für die steuerliche Anmeldung? In einigen Bundesländern darf z.B. das Bordell als Adresse genutzt werden oder bei Kolleg*innen vom Straßenstrich eine Beratungsstelle.

8. Düsseldorfer Modell Der Bundesrechnungshof schlägt die Einführung des „Düsseldorfer Modells“ Deutschlandweit vor. Ist diese Einführung geplant? In einigen Städten sind für Sexarbeitende Zahlungen laut Düsseldorfer Modell Pflicht. Gibt es eine bundeseinheitliche, praktikable Regelung für Sexarbeitende, die nur gelegentlich an diesen Orten tätig sind und ihren steuerlichen Hauptwohnsitz in einer anderen Stadt oder Gemeinde haben? Wie können die durch das Düsseldorfer Modell in die regionale Steuerkasse gezahlten Beiträge bei der Steuererklärung am Heimatort geltend gemacht werden? Wir halten diese Sonderform der Steuererhebung generell für eine nicht rechtskonforme Ungleichbehandlung; durch die Regelung des ProstSchG, bei der die Anmeldebehörde eine Meldung an das zuständige FA zu übermittelt, wird das Düsseldorfer Modell überflüssig und sollte nicht weiter angewendet werden. Diese Ansicht wird auch von dem niedersächsischen Finanzministerium unterstützt.

9. Zu hohe Sätze bei Steuerschätzungen Die Umsätze in unserer Branche haben sich wesentlich verschlechtert. Die Tagessätze, die von den Steuerbehörden angenommen werden, sind in der Regel viel zu hoch. Immer wieder kommt es deshalb zu Problemen bei Steuererklärungen, überhöhten Schätzungen und folglich Verschuldung. Welche Möglichkeiten bestehen, dass die von den örtlichen Steuerbehörden angenommenen Umsatzwerte, neu berechnet werden?

Unser Berufsverband bietet dabei gerne die Zusammenarbeit an.

Wir freuen uns über eine kurzfristige Beantwortung der Fragen, denn es besteht große Unruhe innerhalb unserer Branche, und wir als Berufsverband sehen es als unsere Aufgabe hierbei sachlich aufzuklären.

Schon im Voraus vielen Dank für ihre Bemühungen,

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Bölts Finanzvorstand
Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V