Stellungnahme zum Beschluß des Bundesrates vom 11.04.2014
Auf einen Antrag des Saarlandes hin hat sich der Bundesrat am 11. April 2014 für eine sachliche Debatte und differenzierte Maßnahmen zur Regulierung von Prostitution und Prostitutionsstätten ausgesprochen.
Der Bundesrat stellte fest, dass die öffentliche Debatte vielfach von Vorurteilen, mangelndem Wissen und Skandalisierung geprägt sei. Er sehe keine belastbaren Hinweise auf einen Anstieg des Menschenhandels, da die Fallzahlen im Hellfeld trotz einer Zunahme der Ermittlungsverfahren gesunken seien. Er wendete sich gegen die pauschale Gleichsetzung von Menschenhandel und Prostitution und betonte den Schutz der Ausübung der Prostitution nach Art. 12 GG (Berufsfreiheit). Gleichzeitig hält er den Ausbau von Schutzmaßnahmen für Opfer von Menschenhandel, z.B. durch gesicherte Aufenthaltsrechte, für erforderlich.
Die Einführung einer Freierbestrafung nennt der Bundesrat eine überflüssige und kontraproduktive Maßnahme. Einerseits bestünde keine Regelungslücke, da die wissentliche Ausnutzung von Zwangslagen bereits nach § 138 StGB verboten sei. Andererseits ginge eine nicht geringe Zahl der Hinweise auf Menschenhandel von den Kunden selbst ein.
Auch gegen die Wiedereinführung verpflichtender Gesundheitsuntersuchungen für Prostituierte spricht sich der Bundesrat aus und honoriert damit die erfolgreiche präventive Arbeit der Deutschen AIDS-Hilfe und der Gesundheitsämter. Zwangsuntersuchungen stellten einen Eingriff in die Grundrechte dar, während die Eindämmung der Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten durch solche Maßnahmen nicht belegt sei. Auch könne der falsche Eindruck entstehen, andere Schutzmaßnahmen (z.B. Kondome) seien danach überflüssig. Sinnvoll und wirksam sei allerdings der Ausbau der freiwilligen und anonymen Beratungsangebote, die bereits im Infektionsschutzgesetz verankert seien.
Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen begrüßt die sachliche Auseinandersetzung des Bundesrates mit dem Thema Prostitution und bestätigt seine Einschätzungen zu den oben genannten Punkten. Vor dem Hintergrund der noch immer anhaltenden gesellschaftlichen Stigmatisierung von Sexarbeitern halten wir jedoch die ebenfalls im Beschluß angeführten Reformvorschläge zur Gewerbeordnung und zum Strafgesetzbuch für problematisch.
So spricht sich der Bundesrat für die Einführung einer ordnungsrechtlichen Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten aus. Er erkennt dabei zwar zu Recht, dass es zunächst einer definitorischen Klärung des Begriffs „Prostitutionsstätte“ bedürfe. Er sieht aber nicht, dass auch der Begriff der „Zuverlässigkeit“ juristisch höchst unzureichend definiert ist. Einem erlaubnispflichtigen Gewerbe kann die Betriebserlaubnis versagt werden, wenn der um Erlaubnis Bittende „unzuverlässig“ ist. Dies führt im Zweifelsfall dazu, dass der zuständige Beamte eine Ermessensentscheidung treffen muß. Gerade in einer Branche, die mit zahlreichen gesellschaftlichen Tabus und Vorurteilen belegt ist, führt dies zu einem unkalkulierbaren unternehmerischen Risiko. Kleinere Betriebe können sich einen Rechtsstreit im Zweifelsfall nicht leisten und sind von Schließungen bedroht. In eine ähnliche Richtung gehen unsere Befürchtungen hinsichtlich der Erteilung von Auflagen zur Betriebserlaubnis.
Gegen die im Beschluß angesprochene Idee einer Anzeigepflicht für Prostituierte nach § 14 GewO sprechen wir uns ebenfalls vehement aus. Sexarbeitende sind von einem moralischen Unwerturteil betroffen: Unser Beruf ist als solcher in der Gesellschaft nicht akzeptiert. Ein mit einer Gewerbeanzeige und im Zweifelsfall auch mit einer Bordell-Konzession verbundenes öffentliches Outing, ist für die meisten Sexarbeitenden nicht tragbar. Viele führen aus freien Stücken oder gezwungenermaßen ein Doppelleben, um sich vor den negativen Folgen der Stigmatisierung zu schützen. Bisher war die steuerliche Anmeldung beim Finanzamt für uns ausreichend. Wir konnten darauf vertrauen, dass das Finanzamt unsere persönlichen Daten nicht herausgibt. Im gewerberechtlichen Kontext fehlt eine entsprechende Sicherheit.
Wie der Bundesrat selbst feststellt, ist es seit Einführung des Prostitutionsgesetzes zu einer Ermächtigung der Landespolizeien und zu erhöhter Razzien-Dichte in „Prostitutionsstätten“ gekommen. Es wäre daher ebenfalls zu prüfen, inwiefern mit einer ordnungsrechtlichen Registrierung von Sexdienstleistenden und/oder „Prostitutionsstätten“ unser Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (§ 13 GG) gefährdet ist. Die Dringlichkeit, nicht nur einer Definition des Begriffs „Prostitutionsstätte“, sondern auch einer rechtlichen Differenzierung zwischen dem Betrieb einer „Prostitutionsstätte“, der bloßen Vermietung von Räumlichkeiten und der Ausübung der Prostitution als solcher, z.B. in der Privatwohnung, wird deutlich.
Gerade vor diesem Hintergrund betrachten wir den Vorschlag der Rücknahme des sogenannten Vermieterprivilegs im Strafgesetzbuch mit Sorge. Betreiber, die im Zweifelsfall nichts anderes tun als gewöhnliche Arbeitgeber in anderen Branchen – nämlich finanziell von ihnen abhängigen Angestellten Arbeitsanweisungen zu erteilen – bewegen sich durch die Paragrafen § 180a StGB und § 181a StGB bereits jetzt am Rande der Kriminalität. Vermieter ihnen gleichzusetzen, würde bedeuten, dass unsere Branche weiterhin an den kriminellen Rand gedrängt wird. Für unabhängige Anbieter_innen wird es dann schwieriger, geeignete Räumlichkeiten zu mieten, in denen sie ihren Beruf sicher und selbstbestimmt ausüben können. Die Arbeit in Abhängigkeit von „Mittelsmännern“ würde hingegen wieder attraktiver. Zur Wahrung unserer Unabhängigkeit lehnen wir daher nicht nur die Freierbestrafung, sondern sämtliche Kriminalisierungsbestrebungen im Rahmen einer Reform des Prostitutionsgesetzes ab.
In Hinblick auf die vom Bundesrat angesprochene Vereinheitlichung der Schutzaltersgrenzen sprechen wir uns für einen einheitlichen Angleich auf 18 Jahre aus. Die gut gemeinten Ansätze einer Anhebung der Altersgrenze auf 21 Jahre, gehen an der Lebenswirklichkeit in unserer Branche vorbei. Einsteiger_innen zwischen 18 und 21 Jahren bliebe der Zugang zu sicheren Arbeitsplätzen verwehrt. Sie würden der Kriminalität anheimgegeben und wären gezwungen, an Orten zu arbeiten, an denen sie Gefahren schutzlos ausgeliefert sind. Die im § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB formulierte Altersgrenze von 21 Jahren führt bereits jetzt dazu, dass ein nicht geringer Teil der Opfer von Menschenhandel in der BRD selbst deutsche Staatsbürger sind, die allein deshalb als Opfer geführt werden, weil sie zwischen 18 und 21 Jahren alt sind, ohne dass irgendeine Form von Ausbeutung oder Gewalt vorliegen muss.
Eine rechtliche Gleichbehandlung mit anderen Berufen, auch in Hinblick auf Schutzaltersgrenzen, ist unserer Ansicht nach das beste Mittel, um die Entstigmatisierung der Sexarbeit voranzutreiben. Rechtliche Ausnahmeregelungen, insbesondere im Bereich des Strafrechts, zementieren hingegen ihre Sonderstellung in der Wahrnehmung der Bevölkerung. Sie beflügeln die Entstehung und Kultivierung von Mythen und Vorurteilen, die immer wieder angeführt werden, um die anhaltende Diskriminierung von Sexdienstleistenden zu legitimieren.
Alternativ könnte man über die Verankerung eines Verbots der Diskriminierung aufgrund der Berufswahl im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz oder über die Anerkennung der Sexarbeit als Freiberuf nachdenken. Soziale Absicherungsstrukturen für Sexdienstleistende könnten nach dem Vorbild der Künstlersozialkasse gestaltet werden. In Bezug auf den Betrieb einer „Prostitutionsstätte“ sehen wir in einer Erlaubnispflicht keine Vorteile gegenüber der gewöhnlichen Anzeigepflicht, die nach § 14 GewO für die absolute Mehrheit aller Gewerbe gilt und hinreicht.