Diskriminierung einer Sexarbeiterin beim Finanzamt
Dieser Text stammt von Aya Velazquez und ist zuerst auf ihrem Twitter-Account erschienen.
Post vom Finanzamt
Ich soll einen Fragebogen zu meiner Sexarbeit ausfüllen. Ich habe Fragen dazu und rufe an.
Habe das Aktenzeichen noch nicht zuende aufgesagt, da bricht am anderen Ende der Leitung schallendes Gelächter aus.
Ich: Darf ich fragen, warum Sie lachen?
Herr X aus dem Finanzamt: (kichert weiter) Ach, nur so.
Ich: Nur so? Was meinen Sie damit?
Herr X: (beruhigt sich langsam) Na, ich erinnere mich noch an den „Fall“.
Ich: Achja? Was ist denn der „Fall“?
Herr X: Uns im Finanzamt XY war bislang nicht bekannt, dass Sie einem Prostitutionsgewerbe nachgehen. Das hat uns soeben erst das Finanzamt YZ aus ihrem vorigen Wohnbezirk mitgeteilt.
Im Laufe des Gesprächs stellt sich heraus, dass der offensichtliche Grund für die Belustigung von Herr X die Tatsache ist, dass er meinte, mich mit dieser Info „überführt“ zu haben. Dass ich eigentlich Prostituierte bin, und mein Start-Up nur ein Feigenblatt.
Ich erkläre ihm, dass ich sowohl ein Start-up mit drei Mitarbeitern führe, als auch der Sexarbeit nachgehe.
2 Paar Schuhe also.
So langsam wird es stiller am anderen Ende der Leitung. Herr X wirkt plötzlich eingeschüchtert, und endlich sachlich.
Nachdem das Gespräch beendet ist, rufe ich in der Zentrale des Finanzamts an und lasse mich zum Vorgesetzten von Herrn X durchstellen.
Die Anrufweiterleitung funktioniert wie geschmiert. Nach nur drei Schaltstellen und fünf Minuten habe ich einen Verantwortlichen an der Strippe.
Ich melde den Fall als Diskriminierung seitens eines Behördenmitarbeiters. Diesmal ist die Stimmung ernst.
Ich führe an, dass es einen Antidiskriminierungsparagraphen gibt und ich als Sexarbeiterin einen sachlichen Umgang verdient habe. Es gibt ein #Recht auf Gleichbehandlung. Es kann nicht sein, dass ich im Telefongespräch von einem Finanzamt-Mitarbeiter ausgelacht werde.
Herr X‘ Vorgesetzter gibt mir Recht und gibt zu, dass „so etwas“ überhaupt nicht passieren dürfe.
Was er nun tun solle?
Ich sage ihm, mir sei wichtig, dass Herr X das erklärt bekommt, und das #Finanzamt seine Mitarbeiter für den Umgang mit Minderheiten sensibilisiert.
Am nächsten Tag bekomme ich einen Anruf von der Chefin des Finanzamts.
Ihr Mitarbeiter, Herr X sei von selbst zu ihr gekommen, sagt sie. Da sei ein Kundenkontakt nicht optimal gelaufen. Sie lässt sich den Fall noch einmal von mir schildern.
Es wird ein langes Gespräch.
Frau XYZ wirkt ehrlich betroffen. Sie meint, Prostitution sei doch etwas „total Normales“ und sie hätten ganz andere Jobs in den Akten. Lachen am Telefon sei nicht akzeptabel. Sie bittet mich im Namen von Herr X um Entschuldigung und will mit ihm reden.
DAS ist groß!
Am Ende wird es ein über 30-minütiges Gespräch über das grundsätzliche Verhältnis zwischen Finanzamt und Bürgern – dem Souverän. Wir Steuerzahler seien die eigentlichen Arbeitgeber des Finanzamts, sage ich. Der Umgangston des Finanzamts spiegle das unzureichend.
Ich erzähle ihr, dass viele Menschen das Finanzamt als Bedrohung empfänden. Dass Briefe des Finanzamts, sogar bei Leuten, die nichts verbrochen haben und anständig ihre Steuern bezahlen, oft Panik auslösen.
Ob das denn wirklich so sein müsse?
Ob das Finanzamt sich nicht mal von einer guten PR-Agentur beraten lassen könnte, um die ganzen Schreiben serviceorientiert umzuformulieren?
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HIER findet ihr noch ein Interview von Aya dazu bei ze.tt
HIER: Infos zu Steuern für Sexarbeitende
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