Erfahrungsbericht zu Sexarbeit mit Hygienekonzept: „Nicht nur ‚machbar‘ – sondern funktioniert richtig gut!“
Unter dem Künstlernamen Ron Hades bin ich seit knapp drei Jahren in der Sexindustrie tätig. Mein Schwerpunkt liegt im Bereich Dominanz und Bondage – ich bezeichne mich selbst als „Sensual Sadist“ und „Meditative Bondage Master“.
Ich bin auf den erotischen Einsatz von Seilen, insbesondere Shibari, spezialisiert. Sadismus und Intimität gehen für mich dabei Hand in Hand.
Die meisten Menschen, die meine Zeit buchen, wollen eine etwas andere Art der Intimität erleben oder kennenlernen, die über die „klassische“ Sexualität hinausgeht. Bei sinnlicher Dominanz kann es um vieles gehen – zum Beispiel darum Sinne zu intensivieren, Demütigung zu erfahren, Kontrolle abzugeben, körperliche Überwältigung, Dirty Talk, …
Solche BDSM-Sessions sind für mich persönlich nicht nur beruflich sondern auch privat ein fester Bestandteil meiner Sexualität und ausschlaggebend dafür, dass ich mich wohl und entspannt fühle.
Als Corona kam und ich plötzlich nicht mehr arbeiten konnte, war das deshalb nicht nur finanziell ein Schlag für mich.
„Dank“ rassistischer Vorurteile traf mich die Flaute unglücklicherweise sogar ein wenig früher als meine Kolleg*Innen – ich habe asiatische Wurzeln und bekanntlich hatte das neue Virus in China seinen Ursprung. Die letzten Monaten waren schwer, die staatlichen Hilfen reichten gerade zum Überleben.
Am 08.08.2020 traten in Berlin die Corona-Lockerungen in Kraft – das BDSM-Studio in dem ich mich einmiete, durfte seine Türen wieder öffnen und ich durfte endlich wieder arbeiten.
Erlaubt waren und sind derzeit „erotische Dienstleistungen mit Happy End“ – aber „ohne Geschlechtsverkehr und Gesichtsnähe“! Eine ungewohnte Situation.
In den Sessions mit meinen Gästen hatte ich zwar nur selten „normalen“ Sex, aber bisher jede Menge körperliche Nähe. Wie meine Kolleginnen und Kollegen musste ich mir nun also überlegen, ob und wie meine Arbeit im Rahmen des Hygienekonzepts stattfinden kann.
Ehrlich gesagt war ich anfangs sehr skeptisch. Kann hier noch eine erotische Stimmung aufkommen, mit Abstand halten und Mund-Nasen-Schutz?
Nach über einem Monat Wieder-Arbeiten kann ich sagen: Das ist nicht nur „machbar“ – es funktioniert sogar richtig gut! Kurz nachdem ich wieder Werbung schalten durfte, kamen die ersten Gäste auf mich zu – ein Pärchen. Wir besprachen die neuen Regeln und wie sich die Session dadurch verändern würde.
Klar war das ein wenig komplizierter als gewohnt, aber nicht halb so störend, wie ich gefürchtet hatte.
Während der zweistündigen Session trugen wir alle drei Masken. Meine Gäste tragen darüber hinaus meistens Augenbinden, sehr nützlich, um die Sinne für andere Empfindungen zu schärfen! Natürlich, wenn ich jemand fessele, muss ich ihn oder sie anfassen und körperlich nah kommen. Aber da ich meistens von hinten fessele, ist trotzdem Abstand zwischen unseren Gesichtern. Die Sache mit dem Abstand war kein Problem – bei meinem letzten Haarschnitt war ich meinem Friseur näher!
Auf das Feedback meiner Gäste nach der ersten Session „inklusive Schutzmaßnahmen“ war ich besonders gespannt.
Ich fühlte mich wohl und war glücklich, wieder loslegen zu können – aber wie haben meine Gäste die neuen Regeln empfunden?
Die Frau sagte: „Ich könnte wirklich spüren, dass du von am Anfang bis Ende bei mir warst – trotz Abstand. Ich fühlte mich trotzdem umarmt von dir und von meinem Freund, umarmt durch die Seile.“
Ihr Freund legte nach: „Ich konnte mich noch nie so entspannen. Und ich fühle mich gerade meiner Freundin noch näher, obwohl auch wir Abstand zwischen uns hatten. So wie sie gesagt hat, du warst die ganze Zeit bei uns, ohne uns anzufassen. Das war sehr beeindruckend.“
Ich würde sagen: Job accomplished.
Ich freue mich natürlich, wieder arbeiten zu können. Aber ich finde es nach wie vor schlimm, wie viele Vorurteile gegen Sexworker in der Pandemie wieder hervorgeholt wurden. Spätestens als die Friseur und Tattoo Studios auf gemacht haben und Online Dating Apps wieder erlaubt waren, machte das Arbeitsverbot für Sexworker keinen Sinn mehr.
Nachdem ich jetzt schon über ein Monat wieder arbeiten darf, weiß ich, dass ich die Bedürfnisse meiner Gäste trotz Maske, Abstand und Hygienekonzept erfüllen kann.
Und das ist ein wunderbares Gefühl.
Dieser Text stammt von Ron Hades, Dominus und Bondage Meditation Instructor. Er empfängt seine Gäste im Berliner Studio Lux . Hier geht es zu seiner Website ronhades.com .
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