Kommentar zum Positionspapier der CDU „Prostituierte schützen – Zwangsprostitution bekämpfen – Ausstiegsangebote stärken“
Kommentar von Johanna Weber, politische Sprecherin des BesD
Es hätte schlimmer kommen können. So war meine erste Reaktion auf den 8-seitigen Output der CDU. Richtiger wäre, vom Output der Frauen-Union zu sprechen, denn die Männer in der CDU, die sich mit dem Thema Sexarbeit die weiße Weste schmutzig machen, kann man an einer Hand abzählen.
Die Zeiten, zu denen ich mich mit offen stehendem Mund gefragt habe, wie denn Profi-Politiker*innen so weltfremde Wortsammlungen rausbringen können, sind schon lange vorbei.
Das sind alles auch nur Menschen, und das macht sie vielleicht sympathisch, aber professionelles Arbeiten stelle ich mir anders vor.
Ein so umfangreiches Papier zu einem so emotionalen Thema wird dann – den Gefühlswallungen entsprechend – ziemlich lang, denn es muss ja jeder beteiligen Person Rechnung getragen werden.
So beginnt die CDU ihr Papier mit wohlklingenden Worthülsen (im Folgenden sind die CDU-Zitate fett gedruckt):
„Jenseits einer ethisch-moralischen Bewertung von Prostitution stellen wir fest, dass es nach wie vor trotz klarer Verbote Zuhälterei, Zwangsprostitution und Menschenhandel gibt.“
Was soll man dazu sagen?
Ich gehe davon aus, dass hier wohl das Lektorat geschlampt hat, denn auch polizeistaatliebenden CDU-Politiker*innen müsste klar sein, dass Verbote nicht zum kompletten Verschwinden von Straftaten führen.
Wenn man diesen Einstieg ernst nimmt, führt das die im späteren Verlauf auftauchende Androhung von noch härteren Maßnahmen ad absurdum, denn auch damit wird die hier beschriebene Illegalität weiterblühen.
„Es gibt die selbstbestimmte, legale Prostitution. Im Zusammenhang mit Prostitution findet aber häufig auch Menschenhandel, Zwangsprostitution und Zuhälterei statt. Diese widersprechen der Menschenwürde, verstoßen gegen das Grundgesetz und müssen bekämpft werden.“
Bei den aufgezählten illegalen Sachverhalten handelt es sich um Straftatbestände, die im Strafgesetzbuch geregelt sind. Einen Zusammenhang mit Menschenwürde und dem Grundgesetz halte ich für konstruiert. Ich sehe hier die emotionale Einleitung um die nun folgenden Maßnahmen zu rechtfertigen.
„Darüber hinaus gibt es einen großen Graubereich, in dem die finanzielle oder emotionale Abhängigkeit, insbesondere junger Frauen, aber auch Männer, ausgenutzt wird, um mit ihnen Geld zu verdienen.“
Es ist gut, dass hier über den Graubereich gesprochen wird. Denn das ist meiner Meinung nach das große Problem bei der Sexarbeit. Die pauschale Einteilung in legal/illegal, gute oder schlechte Sexarbeit oder freiwillig und unfreiwillig ist leider nicht so einfach zu treffen. Der Bereich dazwischen ist viel größer als sich die meisten Menschen vorstellen können.
Und genau diesem Bereich dazwischen gehört unsere Aufmerksamkeit. Genau hier sind die Grenzen des Strafgesetzbuches erreicht, und es geht um praxisnahe Lösungen. Diese sind aber leider sehr individuell und sehr kompliziert. Doch der CDU geht es nicht um praktikable Lösungen, sondern um weitere Strafen, Regeln und Verbote.
„Besonders junge Personen sind in ihrer Persönlichkeit oft noch nicht gefestigt, leicht zu beeinflussen und verletzlich. Sie sind besonders häufig unter den Opfern von Menschenhandel zu finden. Ihre Situation ist oft mit unerträglichen Umständen verbunden, aus denen sich die Betroffenen in vielen Fällen nicht lösen können – mit demütigenden Praktiken, mit bleibenden Verletzungen, mit Gewalt und Bedrohungen. Das führt bei vielen Prostituierten zu bleibender Traumatisierung und bleibenden körperlichen Schäden.“
Durch das Wort „bleibend“ bei Verletzungen, Traumatisierung und Schäden wird den vermeintlichen Gräueltaten die Krone aufgesetzt. Wenn man sich das auf der Zunge zergehen lässt, dann gibt es für diese „Opfer“ keine Rettung mehr. Sie bleiben also ihr ganzen Leben gezeichnet.
Ein äußerst schwieriger Ansatz, denn viele „Opfer“ wollen nicht ein Leben lang in der Opferrolle bleiben und immer wieder darauf reduziert werden.
Hier wird mit sehr wirkmächtigen Bildern gearbeitet, die eine sachliche Betrachtung der Problemlage kaum noch möglich machen.
Was die CDU möchte:
„Der Staat und unsere Gesellschaft sind in der Verantwortung, sie vor körperlichen und seelischen Schäden zu schützen.“
Schutz der Sexarbeitenden ist ein wichtiges Schlagwort für die CDU. Das Wort Schutz wird fast wie ein Mantra vor sich hergetragen und führt im Bereich Sexarbeit leider oft zu Zwangsschutz.
Im besagten Papier gibt es jedoch einen zunächst unerwarteten Vorstoß, um beide Seiten der Medaille zu betrachten:
„Wir verfolgen einen differenzierten Ansatz, um dem Schutzauftrag des Staates für die Schwächsten und der Gewährleistung der Berufsfreiheit gleichermaßen gerecht zu werden.“
Das Wort Berufsfreiheit ist ja eigentlich eher ein SPD-Thema. Um so mehr freut es mich, das hier zu finden. Wobei davon auszugehen ist, dass die CDU die Berufsfreiheit für uns Sexarbeitende auch gewahrt sieht, wenn unsere Kunden sich strafbar machen – also mit der Einführung des Sexkaufverbotes.
Nun kommen wir zu den konkreten Vorhaben:
„Wir wollen zeitlich befristet eine Monitoringstelle zur Überwachung der Fortschritte bei der Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes durch die Länder beim Bundesministerium des Innern einrichten. Wir werden das Monitoring auswerten und, falls die Regelungen nicht zum gewünschten Schutz von Prostituierten geführt haben, weitere Maßnahmen vorschlagen und auch ein Sexkaufverbot in Betracht ziehen.“
Hier sehen wir also, worauf es hinauslaufen soll – die Einführung des Sexkaufverbotes in Deutschland. Vor dem Hintergrund, dass es auch in der Union im Vorweg sehr heftige Auseinandersetzungen über den Umgang mit Prostitution/Sexarbeit gegeben hat, ist diese Formulierung als zäher Kompromiss zu werten. Da scheint mir das letzte Wort noch lange nicht gesprochen, aber die Nachtigall trapst reichlich.
„Der für den 1. Juli 2022 vorgesehene Beginn der Evaluierung des Prostituiertenschutzgesetzes soll um ein Jahr vorgezogen werden. Der Abschlussbericht soll bereits 2023, also zwei Jahre früher, vorgelegt werden.“
Auf Nachfrage im zuständigen Ministerium beteuerte man, dass ein Vorziehen der Evaluation nicht geplant sei, und gerade Corona die Situation nicht leichter mache.
Da scheint es dann ja noch ein wenig Abstimmungsbedarf zu geben zwischen der CDU und dem SPD-geführten Familienministerium.
„Wir wollen die Prostitution von Heranwachsenden unter 21 Jahren verbieten.“
Hier kommt ein altes CDU-Thema aus den Zeiten der Entstehung des ProstituiertenSchutzGesetzes wieder hoch. Damals hatte sich die Auffassung der SPD nach der Beibehaltung von 18 Jahren als Berufseinstiegsalter durchgesetzt.
Hier die Worte des BesD dazu aus der damaligen Stellungnahme an die Regierung:
„Die gut gemeinten Ansätze einer Anhebung der Altersgrenze auf 21 Jahre gehen an der Lebenswirklichkeit in der Sexarbeitsbranche vorbei.
Ein Verbot würde hier nur eine wenig abschreckende Wirkung haben. Junge Erwachsene mit einem dringenden Verdienstbedürfnis würden mit dem Einstieg in die Sexarbeit nicht bis zum 21. Lebensjahr warten. Genau diesen lebensunerfahrenen Menschen bliebe der Zugang zu sicheren Arbeitsplätzen, an denen sie sich ggf. auch mit erfahreneren Kolleginnen austauschen können, um von ihnen zu lernen, verwehrt. Sie würden der Kriminalität anheimgegeben und wären gezwungen, an Orten zu arbeiten, an denen sie Gefahren schutzlos ausgeliefert sind. Ihr illegaler Status würde es ihnen unmöglich machen, sich gegen Unrecht zur Wehr zu setzen.Die im §232 Abs. 1 Satz 2 StGB formulierte Altersgrenze von 21 Jahren führt bereits jetzt dazu, dass ein nicht geringer Teil der Betroffenen von Menschenhandel in der BRD selbst deutsche Staatsbürger sind. Sie werden allein deshalb als Opfer geführt, weil sie zwischen 18 und 21 Jahren alt sind, ohne dass irgendeine Form von Ausbeutung oder Gewalt vorliegen muss. Eine rechtliche Gleichbehandlung mit anderen Berufen, auch in Hinblick auf Schutzaltersgrenzen, ist das beste Mittel, um die Entstigmatisierung der Sexarbeit voranzutreiben.“
Quelle -> https://www.bmfsfj.de/blob/83062/fc71831…2-data.pdf
Besonders aufschlussreich finde ich die Stellungnahme zum selbigen Anlass vom kok (Koordinierungskreis gegen Menschenhandel). Die sollten ja wohl Ahnung vom Thema haben:
„Generell bleibt fraglich, ob die Einführung eines Mindestalters Schutz vor Menschenhandel und Ausbeutung bieten würde oder ob hier nicht andere Maßnahmen aus pädagogischer Sicht, wie z.B. Beratung, Aufklärung, Alternativangebote, zunächst sinnvoller wären.“
Quelle: Seite 15 -> https://www.bmfsfj.de/blob/83064/f559ee5…5-data.pdf
„Ebenso soll Prostitution für schwangere Frauen verboten werden.“
Auch dieses Thema hatten wir schon mal.
Das führt dazu, dass Frauen nicht mehr sagen, dass sie schwanger sind und so lange weiter arbeiten, wie es eben nicht zu erkennen ist. Der Nachteil ist, dass sie sich neben eventueller Probleme mit ihrer werdenden Mutterschaft auch noch strafbar machen. Allerdings bietet die CDU großzügig an, dass sie Prostituierten, die wegen Schwangerschaft nicht mehr arbeiten dürfen, Unterstützung erhalten. Man darf sehr gespannt sein, wie diese Unterstützung denn aussehen soll.
„Wir wollen darauf hinwirken, dass der Straßenstrich aufgrund der dort oft herrschenden menschenunwürdigen Bedingungen stärker reguliert wird. Kommunen sollen von ihrer Möglichkeit Sperrbezirke auszuweisen stärker Gebrauch machen. Freier, die Kontakte zu Prostituierten auf dem Straßenstrich anbahnen, müssen im besonderen Maße davon ausgehen, dass damit Menschenhandel und Ausbeutung verbunden sind.“
Auch unser Verband ist für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Anwendung von Arbeitsrechten und Hygienestandards auf den Straßenstrichen. Allerdings sehen wir die Sperrbezirke eher als hinderlich an und fordern deren Abschaffung. Im Gegensatz zur CDU meinen wir, dass schlechte Arbeitsbedingungen nicht automatisch mit Menschenhandel gleichgesetzt werden dürfen. Schlechte oder zum Teil auch unhaltbare Arbeitsbedingungen gibt es in vielen Branchen. Die Gründe, warum Menschen in diesen Situationen verharren und sich nicht auflehnen oder kündigen, sind vielfältig. Viele Gewerkschaften können davon ein Lied singen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass sowohl ich als auch der Berufsverband uns sehr stark gegen schlechte Arbeitsbedingungen einsetzen. Nicht, dass das wieder falsch verstanden wird.
„Sogenannte „Verrichtungsboxen“ wie in der Stadt Berlin lehnen wir als menschenunwürdig ab.“
Die Stadt Berlin verfügt über keine Verrichtungsboxen – diese waren allenfalls im Gespräch. Es gibt allerdings zwei neue Toilettenhäuser auf den Straßenstrich, in denen sogenannte Verrichtungen geduldet werden, aber sie sind nicht in erster Linie dafür vorgesehen. Sicher gibt es da optimalere Lösungen.
Verrichtungsboxen finden sich z.B. auf dem Straßenstrich in Köln, Geestemünder Straße. Von Kolleginnen, die dort arbeiten, höre ich viel Gutes. Auch aus anderen Städten kommt mir mehr Positives als Negatives über diese speziellen Parkunterstände zu Ohren. Viele Kolleg*innen vom Straßenstrich schätzen diese Art von sicherem Arbeitsplatz. Dies als „menschenunwürdig“ zu beschreiben, erscheint mir eher der eigenen Phantasie entsprungen zu sein.
Details dazu finden sich im Jubiläumsbericht zum 10-Jährigen der „Geeste“ – erstellt vom Gesundheitsamt Köln.
„Wir wollen illegale Prostitution zurückdrängen und die Anmeldepflicht stärken. Freier sollen sich daher zukünftig die Anmeldung der Prostituierten nachweisen lassen. Verstöße sollen für die Freier bußgeldbewehrt sein.“
Ich muss diese extrem stigmatisierende Maßnahme gar nicht lange kritisieren, denn ich meine, dass dieses Vorhaben juristisch nicht durchführbar ist.
Im Rahmen des ProstituiertenSchutzGesetzes wurde, extra zum Schutz der Sexarbeitenden vor einem ungewollten Outing, nur einem ganz begrenztem Personenkreis der Zugang zu den Ausweisen erlaubt. Im Rahmen dessen wurde explizit Wert darauf gelegt, dass diese sensiblen Daten nicht in die Hände von Kunden kommen sollten, um Missbrauch und Abhängigkeiten zu verhindern.
„Die Kontrollen müssen zu den Tageszeiten durchgeführt werden, während derer Prostitution schwerpunktmäßig stattfindet und, wo aus ermittlungstaktischen Gründen möglich, durch Mitarbeiterinnen von Beratungsstellen begleitet werden, die mit den (zumeist) Frauen das Gespräch suchen.“
Dass die Kontrollen laut ProstSchG von einer Beratungsstelle begleitet werden sollen, klingt ja zunächst vielleicht wie eine wirklich gute Idee. In der Praxis wird dies jedoch das Gegenteil bewirken.
Beratungsstellen verlieren ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie an ordnungsrechtlichen Kontrollen beteiligt sind. Sie sollen eine vertrauensvolle Anlaufstelle sein – auch für Sexarbeitende, die sich nicht anmelden können und illegal arbeiten müssen.
Von vielen Beratungsstellen gab und gibt es jedoch Fortbildungsangebote für die Kontrollbehörden, die in verschiedenen Bundesländern auch gut angenommen wurden.
„Um mehr Wissen über die Gelingensfaktoren beim Ausstieg zu erhalten, wollen wir Modellprojekte zum Ausstieg fördern.“
Vor einigen Jahren gab es schon ein Modellprojekt zum Umstieg aus der Prostitution.
Die Evaluation ergab, dass nur 1 von 10 Menschen den Übergang in eine andere Beschäftigung nicht alleine schaffen. Gut ist zu wissen, dass 90% keine Hilfe benötigen, wenn sie mit der Sexarbeit aufhören wollen. Gut ist ebenfalls, dass es Projekte gibt, für die Menschen, die das nicht alleine schaffen.
Quelle: https://www.bmfsfj.de/blob/95446/b1f0b6a…g-data.pdf
Link zum CDU-Papier -> https://www.cducsu.de/sites/default/files/2021-02/PP%20Prostituierte.pdf