Prostituierte in Rheinland-Pfalz wieder bei Lockerungen vergessen: „Lasst uns endlich arbeiten!“

Trotz einer sinkenden Tagesinzidenz dürfen Sexarbeiter*innen in Rheinland-Pfalz ihre Arbeit nicht wieder aufnehmen. Auch Prostitutionsstätten müssen ihre Tore geschlossen lassen. Das ergibt sich aus der am 17. Juni veröffentlichten Corona-Verordnung des Bundeslandes. Die Not in der Branche ist groß – in einem offenen Brief wendet sich unsere Vorständin Nicole Schulze an die Verantwortlichen in Mainz und ihrer Heimatstadt Trier. Sie fordert ein Ende der Ungleichbehandlung.


Liebe Ministerpräsidentin Dreyer,
Lieber Oberbürgermeister Leibe,
Lieber Sven Teuber!

Trier ist eine wunderbare Stadt. Wir sind stolz auf unsere Bekenntnisse zur Vielfalt, gerade auch in Hinblick auf den Umgang mit sexuellen Themen. Nicht nur unsere Regenbogenflaggen zeigen, dass in Trier kein Platz ist für Homophobie, für Trans*feindlichkeit oder für sexualisierte Gewalt gegen Frauen.

Der politische Weg unserer Stadt, marginalisierten Menschen mit Anerkennung und Wertschätzung zu begegnen, hat sich bewährt. Beim Umgang mit dem HIV-Virus, das vor 40 Jahren große Befürchtungen mit sich brachte, war Trier mit seiner akzeptierenden Arbeit wegweisend.

Auch im Nachhinein hat sich der Trierer Weg als der richtige erwiesen: Menschenrechte-stärkend und Schaden mindernd. Wir haben heute in Trier zum Beispiel das Schmitz Zentrum, Aidshilfe Trier, Frauennotruf usw.

Umso mehr bin ich bestürzt und fassungslos, wie hier in meiner Heimat mit meinem Berufsstand – mit Prostituierten, umgegangen wird.

Ich lese gerade die neue 23. Corona Verordnung, die heute am 17.06.21 veröffentlicht wurde. Über meine Berufsgruppe wird wieder geschwiegen und wir werden wieder ohne eine Perspektive weiter im Dunkeln gelassen.

Ihre Entscheidung, die Sexuellen Dienstleistungen im Allgemeinen und die Bordelle weiter geschlossen zu halten ist eine Entscheidung, die ich bei der Inzidenzzahl nicht mehr nachvollziehen kann und möchte. Die Tagesinzidenz für Trier liegt heute am 17.06.21 laut der Seite der Stadt Trier bei 7,2.

Das diskriminiert den Berufsstand der sexuellen Dienstleistung gegen jede andere Form der körpernahen Dienstleistung, wie auch kürzlich das OVG Niedersachsen feststellte und dort die Sexarbeit bereits seit 08.06.21 wieder möglich machte. Mit folgender Begründung:

„Es gibt keine nachvollziehbaren sachlichen Gründe, die eine weitere Aufrechterhaltung des umfassenden und ausnahmslosen Verbots, gerade und nur betreffend die Ausübung der Prostitution und der Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Prostitution rechtfertigen könnten…“.

Ebenso haben die meisten Bundesländer bereits die Sexarbeit, bzw. sexuelle Dienstleistung wieder erlaubt und auch Bordellöffnungen zugelassen. Ich finde es nicht in Ordnung bei dieser niedrigen Zahl die Sexarbeit weiterhin zu verbieten und damit nur die wachsende Illegalität zu fördern. Ich bin seit 2019 in der Öffentlichkeit, kämpfe für unsere Rechte, habe mich geoutet und werde von Ihnen nicht gehört.

Ich bitte daher Sie als Verantwortliche erneut: Öffnen Sie meine Branche – sexuelle Dienstleistungen im Allgemeinen und die Bordelle. 

Wir haben Hygiene Konzepte.
Wir sind geimpft oder lassen uns testen.
Wir wollen gehört werden.
Wir wollen Gleichbehandlung.
Wir wollen Rechte.
Wir wollen arbeiten.

Die Not in unserer Branche ist groß und das wissen Sie auch. Ich stehe Ihnen bei Fragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,
Nicole Schulze
Sexarbeiterin und Vorstandsvorsitzende des BesD e.V.