EU-Koordinatorin für Kampf gegen Menschenhandel „Keine Erkenntnisse, dass wesentlich mehr Ukrainerinnen Opfer wurden“
Seit Beginn des Ukrainekonfliktes besteht die Sorge, dass aus der Ukraine geflüchtete Frauen und Kinder in Deutschland gefährdet sind, Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution zu werden.
Wie schätzen Expert*innen die derzeitige Lage für geflüchtete Ukrainer*innen ein?
Diane Schmitt, EU-Koordinatorin für Kampf gegen Menschenhandel, betonte im Juli in einem Interview mit der WELT, dass obwohl flüchtende Frauen und Kinder einen „idealen Rekrutierungspool für Kriminelle“ stellen, es bisher keine Erkenntnisse gibt, „dass wesentlich mehr Ukrainerinnen Opfer von Menschenhandel wurden als vor dem russischen Angriffskrieg“.
In Zusammenarbeit zwischen Europol, Frontex, nationalen Behörden und Organisationen, sowie dem Bundeskriminalamt und dem Landeskriminalamt Berlin wurde „allen Hinweisen nachgegangen“.
„… bis heute gibt es nicht sehr viele bestätigte Fälle, dass die Flüchtlinge auch noch zum Opfer von Menschenhändlern wurden.“
Laut Schmitt liegt das auch an einer „intensiven Sensibilisierung seitens der EU, der Staaten und der Organisationen der Zivilgesellschaft“.
Dass die Fallzahlen so gering sind, liegt sicher auch an der sehr unkomplizierten und breit aufgestellten staatlichen Unterstützung für Menschen aus der Ukraine. Im Gegensatz zu Geflüchteten aus vielen anderen Ländern, erhalten Ukrainer*innen Aufenthaltsrecht, eine Wohnung, Überbrückungsgeld sowie eine Arbeitserlaubnis – all dies sind Grundlagen, die gegen Ausbeutung und Menschenhandel helfen.
EU: Vorgehen gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung
Im Mai diesen Jahres veröffentlichte die EU Kommission einen Plan zur Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz von Menschen aus der Ukraine. Die Ziele:
- Stärkere Sensibilierung für die Risiken des Menschenhandels und Einrichtung spezieller Helplines
- Verstärkung der Prävention des Menschenhandels
- Verbesserung der Strafverfolgung
- Frühe Identifizierung und Unterstützung der Betroffenen
- Bekämpfung der Risiken des Menschenhandels insbesondere in der Ukraine und Moldawien
Der Plan ist Teil einer 10-Punkte-Aktionsplans der EU für die Jahre 2021 – 2025 zur Bekämpfung des Menschenhandels. Der KOK- Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. – veröffentlicht regelmäßig Hinweise zu Gefahren und Unterstützungsmöglichkeiten für Flüchtende aus der Ukraine.
Niedrigschwelliger Zugang zu Schutz und Beratung für Betroffene
Projekte und Initiativen gegen Menschenhandel und gegen sexuelle Ausbeutung brauchen dringend Unterstützung. Betroffenen oder gefährdeten Menschen muss der Zugriff auf Information, Schutz und Beratung anonym und niedrigschwellig möglich gemacht werden – unabhängig davon ob es sich um Sexarbeitende handelt und unabhängig davon ob sie im Besitz eines ukrainischen Passes sind.
Es gilt unbedingt zu verhindern, dass flüchtende oder geflüchtete Menschen aus der Ukraine – egal welcher Tätigkeit sie in der Ukraine nachgegangen sind – sexueller Ausbeutung oder Menschenhandel zum Opfer fallen und durch List oder mit Gewalt in Ausbeutungsverhältnisse gedrängt werden.
Unterscheidung zwischen Sexarbeit und Straftatbestand Zwangsprostitution
Als Berufsverband, der sich für die Rechte und Lebensqualität von Sexarbeitenden einsetzt, ist es uns auch wichtig der Verbreitung von Fehlinformationen entgegen zu wirken.
Einige Sexarbeitsgegner*innen instrumentalisieren die durch den Ukrainekonflikt in den Medien präsente Gefahr von sexueller Ausbeutung von Flüchtenden, um für eine generelle Abschaffung oder Eindämmung von Sexarbeit in Deutschland zu plädieren.
Für mehr Informationen zur Vermischung und Unterscheidung von sexueller Ausbeutung und Menschenhandel mit Sexarbeit, hat der BesD e.V. eine umfassende Infoseite zu genau diesem Themenkomplex zusammengestellt -> Hier weiterlesen.
Veranstaltungs-Tipp: Fachtag zu Menschenhandel und sexueller Ausbeutung
„Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung hat viele Gesichter“
Mehr lesen
Datum und Uhrzeit: 29. September 2022, ab 16:00 Uhr
Ort: Bremische Bürgschaft Festsaal, Am Markt 20, 28195 Bremen
Veranstalter: Fachberatungsstelle für Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution
Kosten: 85,00 Euro (inkl. Verpflegung)
Anmeldung: Bis zum 09. September HIER