Filmplakat von 30 Jahre an der Peitsche

Domina wider Willen? Eine kritische Sicht auf „30 Jahre an der Peitsche“

Rosa von Praunheim ist bekannt für seine provokanten Filme, die oft zwischen Dokumentation und künstlerischer Überhöhung changieren. 30 Jahre an der Peitsche, das filmische Porträt der Berliner Domina Lady MacLaine, setzt diesen Stil fort. Unter Sexarbeitenden und vor allem auch in der BDSM- und Kink-Community stößt der Film auf scharfe Kritik.

Diese Filmkritik basiert auf Aussagen von BesD-Mitgliedern, Menschen aus dem Publikum bei der Sondervorstellung in Frankfurt, sowie dem Video von Jay Stark.

Sexarbeit als Notlösung? Eine problematische Erzählung

30 Jahre an der Peitsche ist ein DokuDrama, also eine teils fiktionale Darstellung des Lebens von Lady MacLaine. Der Filmschaffende Rosa von Praunheim kombiniert Interview-Szenen mit fiktionalisierten Rückblenden.

Der Film zeigt eindringlich, wie Protagonistin Tina alias Lady MacLaine zu Sexarbeit kommt – nicht aus Leidenschaft oder Interesse, sondern aus finanzieller Not. Damit einher geht ihr kritischer Blick auf die Branche. Als BesD e.V. sehen wir Sexarbeit als legitimen Beruf, der auch rein dazu da sein darf, um Geld zu verdienen. Das ist ja der Sinn von Lohnarbeit.

Allerdings stellt der Film die Meinung der Protagonistin zu Sexarbeit als allgemeingültig da.

Jay Stark beschreibt das so: „Für sie war das wirklich schlimm. Sie ist aus Geldnot zu Sexarbeit gekommen und hat es auch wegen Geldnot einfach weitergemacht.“ Dabei wird übersehen, dass viele Sexarbeitende ihren Beruf bewusst und aus eigenem Antrieb wählen. BDSM-Dienstleistungen sind kein zwangsläufiges Schicksal, sondern für viele eine erfüllende Arbeit.

BDSM und Sexarbeit: Zwischen Realität und Klischee

Stichwort BDSM: 30 Jahre an der Peitsche zeigt Fetische und Kink aus einer stark verzerrten Perspektive. Die gezeigte Domina ist ausschließlich sadistisch, und das gesamte Feld wird auf Schmerz und Erniedrigung reduziert. Jay kritisiert: „Kink und BDSM ist so facettenreich wie die Menschen selbst.“

Zudem vermittelt der Film, dass BDSM-Praktiken zwangsläufig aus Traumata resultieren – eine gefährliche Behauptung. So wird etwa suggeriert, dass der devote Charakter Meinhard aufgrund einer traumatischen Kindheit seine Neigungen entwickelt hat. Die Realität ist jedoch vielfältiger: Menschen haben aus ganz unterschiedlichen, oft positiven Gründen Interesse an BDSM.

Pallas Athene merkt an: „Menschen mit Fetischen wurden fast automatisch als problematisch oder pathologisch gezeigt. Aber die Überzeichnung war so stark, dass ich nicht sicher bin, ob der Film diese Klischees bedienen oder auf die gängigen Klischees hinweisen und sich somit über sie lustig machen wollte.“

Gefährliche Darstellung von Grenzüberschreitungen

Ein besonders verstörender Moment im Film ist eine Szene, in der eine submissive Frau ohne Vorgespräch oder Safe-Word einem unbekannten dominanten Kunden überlassen wird.

Diese fehlende Einwilligung macht die Szene nicht nur unethisch, sondern stellt eine direkte Gefährdung dar. Jay betont: „Das ist nicht das, was verantwortungsvoller BDSM ist. Das ist eine Straftat.“

Die Schuld wird allein dem dominanten Kunden zugeschoben, während Lady MacLaines Verantwortung als Studioinhaberin nicht hinterfragt wird. Eine reflektierte Darstellung von Sexarbeit müsste klarstellen, dass professionelle BDSM-Dienstleistende hohe Standards für Einvernehmlichkeit und Sicherheit setzen.

Sexarbeit als legitime Arbeit – nicht als Problem

Der Film verpasst eine entscheidende Gelegenheit: eine realistische und respektvolle Darstellung von Sexarbeit.

Statt zu zeigen, dass BDSM-Dienstleistungen ein professionelles, erfüllendes Feld sein können, bleibt 30 Jahre an der Peitsche in alten Narrativen von Zwang, Pathologisierung und Geldnot stecken.

Ein Zuschauer aus dem Publikum reflektiert dies nachträglich: „Eigentlich war sie echt eine unsympathische Person. Sie hat sich vielen Menschen gegenüber mies verhalten. Im Film kam das anders rüber, was auch klar ist, da sie ja Protagonistin war.“

Sexarbeit ist ein facettenreiches Feld, in dem Menschen bewusst und aus unterschiedlichsten Gründen arbeiten. Der Film ignoriert diese Realität und verstärkt stattdessen Stigmata, die Sexarbeit und BDSM in eine Opferrolle drängen.

Fazit: Kritischer Blick auf eine einseitige Erzählung

30 Jahre an der Peitsche ist unterhaltsam, aber problematisch.. Wer ihn als Satire liest, mag sich an den grotesken Überzeichnungen erfreuen. Wer jedoch eine differenzierte Darstellung von BDSM und Sexarbeit erwartet, wird enttäuscht.

Jay formuliert es abschließend treffend: „Wer den Film sieht, sollte dies mit entsprechender Reflexion tun.“ Rosa von Praunheim hätte die Chance gehabt, eine facettenreiche Geschichte zu erzählen – stattdessen bleibt er in alten Klischees verhaftet.

Sehenswert? Ja, aber nur mit einem kritischen Blick aus der Perspektive von Sexarbeit.