Rheinland-Pfalz – die Ersten werden die Letzten sein?

Gestern hat die rheinland-pfälzische Landesregierung eine aktualisierte Corona-Verordnung verabschiedet. Im §4 findet sich eine mittlerweile sehr kurze Liste der Tätigkeitsbereiche, deren Ausübung immer noch untersagt sind.*

1. Clubs, Diskotheken und ähnliche Einrichtungen,
2. Kirmes, Volksfesten und ähnliche Einrichtungen,
3. Prostitutionsgewerbe

Was soll man dazu noch sagen?

Jeder der sich mit den Arbeitsabläufen und dem Alltag in der Sexarbeit eine wenig beschäftigt hat, kann nur mit dem Kopf schütteln, bei der Betrachtung dieser Aufzählung.

Infektionsschutz ist wichtig, aber dieser muss auch sinnvoll sein. Mir geht es um den Versuch einer sachlichen Betrachtung.

Bei den ersten beiden aufgelisteten Punkten handelt es sich um Veranstaltungen, bei denen üblicherweise viele verschiedenen Menschen auf einem Haufen zusammentreffen. Gerade die Gesellschaft mit den anderen Menschen ist ja ein Kern dieser Events. Ob man diese Veranstaltungen vielleicht auch in irgendeiner Art coronasicher durchführen könnte, lassen wir hier jetzt mal außen vor.

Bezogen auf die Sexarbeitsbranche macht der Topf, in den wir da geworfen werden, keinen Sinn.

Bis auf wenige Ausnahmen findet bei der Sexarbeit immer 1 zu 1 Kontakt statt. Die Kunden sind peinlich darum bemüht, dass sie niemanden außer ihrer Erotikpartnerin im Bordell-Flur oder sonstwo treffen. Diskretion wird selbst in provinziellen Kleinstadtbordellen groß geschrieben. Wie viele mögliche Coronaüberträger trifft der Kunde in einem Bordell?

Eigentlich nur eine Person, denn wie in anderen Bundesländern schon erprobt, könnte auch in Rheinland-Pfalz ausschließlich auf Termin gearbeitet werden. Somit holt die Sexarbeiterin ihren Kunden direkt an der Tür ab, und dieser hat keinerlei Kontakt zu anderen Besuchern oder anderen Sexarbeitenden.
Außerdem findet alles mit Mund-Nasenbedeckung statt. Dies funktioniert in anderen Bundesländern problemlos. Dass nach jedem Kunden die Zimmer, Flure und Sanitärbereiche penibel gereinigt und desininfiziert werden, muss anscheinend immer wieder erwähnt werden. Wie sonst würde alleine die Existenz eines Bordells Panikattacken bei Virologen auslösen.

Eine weitere sehr hartnäckige Fehleinschätzung ist, dass jede Sexarbeiterin täglich eine Unmenge an Kunden hat. Dem ist leider nicht so.

Auf die Frage, was sich Sexarbeitende wünschen würden zu Verbesserung ihrer Arbeit, sagen fast alle: „Mehr Kunden“.

Die durchschnittliche Sexarbeiterin in einem durchschnittlichen Wohnungsbordell oder in einer durchschnittlichen Terminwohnung hat im Schnitt 2-3 Kunden pro Tag – eher weniger. Exakt die eben genannten Arbeitsplätze sind das vorherrschende Arbeitsmodell für erotische Dienstleistungen in Rheinland-Pfalz. Es gibt dort keine Massen an Saunaclubs, keine Reeperbahn, keine Großbordelle, keinen vermeintlich ausufernden Drogenstrich. Nein, in der Prostitutionslandschaft von Deutschland besetzt Rheinland-Pfalz eher einen sehr unbedeutenden Platz.

Um so verwunderlicher ist, dass ausgerechnet dieses Bundesland sich so standhaft weigert. Zumal Rheinland-Pfalz das erste Bundesland war, welches nach dem Shutdown die Sexarbeit wieder erlauben wollte. Vor gefühlter Ewigkeit wurde dort eine Gerichtsklage verloren, und das Land sah sich verpflichtet, die Sexarbeit wieder zuzulassen. Daraus wurde dann allerdings nichts. Die Landespolitker befürchteten alles Mögliche, allem voran Sextourismus aus den anderen Bundesländern. Letzterer Punkt ist nun definitiv hinfällig.

Fast alle anderen Bundesländer machen inzwischen vor, dass es geht.

Hygienekonzepte könnten von dort übernommen werden, und vermeintlicher Sextourismus ist auch nicht mehr zu befürchten, denn in den meisten Nachbarländern ist die Sexarbeit schon wieder zugelassen.

In Berlin und Bayern wird schon seit über einem Monat wieder in Bordellen und ähnlichen Einrichtungen gearbeitet. Es gibt sehr strenge und branchenangepaßte Hygienekonzepte, die eingehalten werden. Die pauschale Annahme, dies würde in der Erotikbranche nicht funktionieren, ist somit widerlegt. Auch gibt es in den besagten Bundesländern keinen Hinweis auf steigende Coronazahlen ausgelöst durch Prostitutionsstätten.

Interessanterweise ist in Rheinland-Pfalz die Sexarbeit ja nicht komplett untersagt. Haus- und Hotelbesuche sind erlaubt. Selbige Handlungen in einer gewerberechtlich zugelassenen, mit Hygienekonzepten und Notrufanlagen ausgestatteten Prostitutionsstätte zu tun, ist verboten.

Ganz anders das Bundesland Hamburg. Dort argumentierte die Sozialbehörde, dass es ganz wichtig sei die Prostituonsstätten wieder zu öffnen, denn in den Bordellen ließen sich die Hygieneregeln viel besser umsetzen und kontrollieren.

In diesem Sinne, fordern wir als Berufsverband das Bundesland Rheinland-Pfalz auf, zum nächst möglichen Termin, auch die Arbeit in Prostitutionsstätten wieder zuzulassen.

Natürlich mit Hygienekonzept.

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VERWEISE
* https://corona.rlp.de/fileadmin/msagd/Ge…oBeLVO.pdf

KONTAKT
Johanna Weber:
johanna@besd-ev.de
0151 – 1751 9771

PRESSE
SWR Aktuell – Bordelle bleiben geschlossen – Kritik von Betreibern
https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/bordelle-rheinland-pfalz-100.html

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