Sarkasmus, Lügen, Manipulation: Wenn sich die Gegnerfraktion einschleicht …

Replik von Miss Daria, Sexarbeiterin und Mit-Organisatorin der Demo in Stuttgart auf die Äußerungen einer bei der Pressekonferenz im Tabledance-Club Messalina anwesenden Journalistin.


Wenn sich die Gegnerfraktion einschleicht…

…und ein Paradebeispiel dafür bietet, dass wir Sexarbeiter*innen von eben diesen überhaupt nicht ernst genommen werden! Und leider auch deutlich macht, wie unmöglich es ist, mit solchen Menschen eine konstruktive Auseinandersetzung zum Thema Sexarbeit zu führen.

Sarkasmus, Lügen, Manipulation und absurde Analogien

Nach jeder Menge guter Presse – als Echo auf unsere Pressekonferenz, die Laufhausführung und die Kundgebung der letzten Woche hier in Stuttgart, war er da:

„Der Artikel den man ganz sicher nicht lesen möchte, wenn man sich gerade sehr intensiv politisch für seine Grundrechte und seine Berufsgruppe eingesetzt hat!“ in der Wochenzeitung KONTEXT vom 12.08.: „Prostitutionsverbot? Gute Idee!“

Ein Artikel der dafür sorgte, dass ich unglaublich sauer auf mich selber war – zum einem weil ich nicht über ALLE angemeldeten Presseleute ALLE entsprechenden Infos eingeholt hatte, zum anderen über den Text an sich und über die Art und Weise wie Menschen den Journalismus so missbrauchen können. Bei der Einhaltung ihres Berufskodex einfach mal ganz tief ins Klo gegriffen: Fern ab von neutraler Berichterstattung.

Politisches Engagement kostet Zeit, Energie, bringt kein Geld und ist unabdingbar

Ich wollte niemals politische Arbeit machen. Ich wollte vor allem nicht als Sexarbeiterin im Fernsehen landen, geschweige denn Demos organisieren oder mich mit Journalismus auseinander setzen. Da Sexarbeit KEINE Lobby hat außer die Sexarbeitenden selber und das Thema weder in der Politik noch in den Medien fair behandelt wird, blieb mir bei meinem hohen Sinn für Gerechtigkeit irgendwann aber gar nichts anderes mehr übrig, als mich politisch zu engagieren.

Ja, es mag unglaublich naiv klingen, aber was mich jetzt dabei am meisten umtreibt, ist der Fakt, dass ich nicht ernst genommen werde! Einen solchen Tag, wie den 6. August 2020 zu organisieren ist ein unglaublich anstrengendes Unterfangen, kostet sehr viel Zeit und Energie, bringt kein Geld und war trotzdem unabdingbar – vor allem in Stuttgart. Das Stigma und die Diskriminierung ist riesig und wie sollen wir ohne politisches Engagement zu einer Anerkennung der Sexarbeit kommen. Überall wird ständig über uns anstatt mit uns geredet.

So bin ich dann doch in diesem politischen Feld gelandet und Frau Stiefel nutzt ihre Stellung bei der KONTEXT-Wochenzeitung um ihre „persönliche Meinung“ zu einem möglichen Prostitutionsverbot zu verbreiten und scheut dabei weder vor Lügen noch vor Manipulation zurück. Das nehme ich irgendwie persönlich, als würde jemand mein Engagement und meinen Berufstand mit Füßen treten. (Ja, ich weiß, ich sollte das nicht persönlich nehmen…)

Und Frau Stiefel hat es ebenfalls getan: Sie hat nicht mit uns geredet, sondern jetzt redet sie über uns!

Frau Stiefel hat uns auf der Pressekonferenz nicht eine Frage gestellt

Sie hätte die Chance gehabt, mit uns einen offenen Austausch zu führen. Aber nein, sie missbraucht ihre Macht-Position um ihre persönliche Meinung kund zu tun und unsere Aktion ins Lächerliche zu ziehen.

In ihrem Artikel nutzt sie jede Form der rhetorischen Manipulation um den Leser emotional zu beeinflussen, hier zum Beispiel:

„….die Tattoo-Dichte auch. Masken tragen alle, beliebt bei Männern aus dem Milieu: Totenkopfmaske, die ein grimmiges Lächeln ins Gesicht friert.“

Was genau trägt das zur Sache bei?

„Die Show für die Presse ist ein bisschen wie ein Tag der offenen Tür bei der Bundeswehr. Keiner redet über Krieg, alle bestaunen die Gewehre, und wer Glück hat, darf am Ende Panzer fahren!“ schreibt Frau Stiefel. Merkwürdige Analogie würde ich sagen, was sie damit bezweckt, kann ich nur mutmaßen. Prostitution mit Krieg gleich zu setzen? Braucht man das, wenn einem die Argumente fehlen? Oh – jetzt werde ich auch sarkastisch – ein Übel das ich der Frau Stiefel vorwerfe – und nun tappe ich selber in die Falle. Verzeihung, aber diese Berichterstattung ist auf keiner Ebene fair, da fällt es mir wirklich schwer mich selbst anständig zu verhalten.

„Man könnte meinen, der Sex-Job sei ein Riesen-Spaß…“, „…Barsesselchen…“, …und schwupps, so ganz nebenbei…“, ,„…Knöpfchen drücken…“, „…hier im Tabeldance-Schuppen…“, „…sexy Effekt“…, „…außerdem hätten sie ein super Hygienekonzept…“. Auch bei mehrfachem Lesen finde ich kaum einen Satz der wirklich ernst gemeint ist. Das meiste wird ins Lächerliche gezogen, übertrieben dargestellt und merkwürdig betont, so dass der Leser gar nicht die Möglichkeit bekommt, sich ein neutrales Bild des Geschehens zu machen.

An Lügen und Manipulation wird nicht gespart

„Menschenhandel, Zwangsprostitution oder Gewalt sind kein Thema im Messalina im Stuttgarter Rotlichtviertel.“  Wer dabei war weiß, dass das Thema Prostitution im Verborgenen während der momentanen Situation, eines der wichtigen Themen auf der Pressekonferenz und auch auf der Kundgebung war.

Die Not der Frauen, die keine Soforthilfe bekommen haben, die keinen festen Wohnsitz haben etc., und jetzt heimlich arbeiten müssen ist gravierend und benötigt dringend Unterstützung. Das ist einer der Gründe, warum wir fordern, dass wir wieder arbeiten dürfen. Alle Sexarbeitenden die jetzt gerade arbeiten müssen, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt, sind widrigen Umständen ausgesetzt. Da sie gerade illegal arbeiten, sind sie erpressbar und können sich in Nöten an niemanden wenden.

„In Schweden, wo Sexkauf verboten ist, gelten Männer, die eine Frau nur über Geld ins Bett kriegen, längst als Loser.“ So ein Quatsch! Wieder erzeugt sie, mit einer nicht nachweisbaren Aussagen, Emotionen beim Leser….weil es ja auch so viele Studien und Statistiken dazu gibt, dass Männer die Sexarbeit in Anspruch nehmen Loser sind.

„Und jeden Tag gehen in Deutschland eine Million Männer ins Bordell!“ ist die nächste Unwahrheit die in den Raum gestellt wird. Wenn nicht einmal klar ist, wie viele Sexarbeiter*innen es in Deutschland gibt, wie kann dann eine solche Zahl entstehen?

Ein bitterer Beigeschmack bleibt

Nun nachdem ich diesen Beitrag geschrieben habe, finde ich es nur noch halb so wild, was Frau Stiefel aus ihrem Artikel gemacht hat. Wie gesagt, ein Paradebeispiel dafür, wie die Gegnerfraktion mit uns Sexarbeiter*innen umgehen. Nämlich, dass lieber über uns als mit uns geredet wird.

Dennoch, ein bitterer Beigeschmack bleibt, denn ich mag es nicht, wenn jemand mich nicht ernst nimmt und sich über mich lustig macht.

Im Übrigen, ist uns (allen Aktivist*innen in der Sexarbeit die ich kenne und mir) bewusst, dass es Menschenhandel und Gewalt in der Prostitution gibt. Wir sind jederzeit dazu bereit, darüber zu sprechen und es ist uns ein Anliegen, uns für bessere Bedingungen und vernünftige Rechte zu engagieren.

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